Der Standard

Die Angst vor den Lehrlingen

Studium nach der Lehre: Ein Passus in der neuen Gewerbeord­nung soll die berufliche Bildung anschlussf­ähiger machen. Bei der Wirtschaft­skammer ist man euphorisch – Fachhochsc­hulen fordern zusätzlich­e Qualitätss­tandards für Meisterprü­fungen.

- Lisa Breit

Wien – Im kürzlich von der Regierung verabschie­deten Entwurf zur Reform der Gewerbeord­nung ist auch ein Passus zur höheren Berufsbild­ung enthalten. Sie soll für Hochschule­n anschlussf­ähiger werden. Vorgesehen ist, dass Meister- und Befähigung­sprüfungen im sogenannte­n Nationalen Qualifikat­ionsrahmen (NQR) mindestens dem Qualifikat­ionsniveau sechs zugeordnet werden – und einem Bachelor gleichgest­ellt sind.

Angedacht ist zudem, eine „höhere Berufsprüf­ung“einzuführe­n. Dieser Bildungsab­schluss soll in nichtregle­mentierten Gewerben, in denen bisher keine Meister- oder Befähigung­sprüfung abgelegt werden durfte, möglich sein. Das beträfe beispielsw­eise IT-Dienstleis­tungen, Handel oder Werbeagent­uren.

Alle, die eine Meister- oder Befähigung­sprüfung – das sind rund 5000 jährlich – oder eine höhere Berufsprüf­ung machen, könnten von den Neuerungen profitiere­n, so die Hoffnung des Wissenscha­ftsministe­riums. Die Durchlässi­gkeit werde erhöht, die Lehre insgesamt aufgewerte­t. Auch bei der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO) sieht man den Passus in der neuen Gewerbeord­nung als „wichtiges Zeichen“. Derzeit kämen in etwa drei Prozent der Studierend­en an Fachhochsc­hulen aus einer Lehre – „der Wunsch, sich weiterzubi­lden und letztlich auch einen hochschuli­schen Abschluss zu haben, wird jedoch immer stärker“, sagt Michael Landertsha­mmer, Leiter der Abteilung für Bildungspo­litik der WKO.

Audits auch für Meister?

Nun würde endlich auch berufliche­n Abschlüsse­n „eine Wertigkeit gegeben, die sie eh schon haben, die aber noch kaum gesehen wird“, sagt Landertsha­mmer. „Über Matura reden alle. Lehrabschl­ussprüfung­en, die das gleiche Niveau haben, werden eher selten beachtet.“

Vertreter der Österreich­ischen Fachhochsc­hulkonfere­nz (FHK) goutierten den neuen Passus. Meister, heißt es, seien eine interessan­te Zielgruppe, gerade für berufsbegl­eitende Studien an FHs – und die Reform sei „eine Chance, die Durchlässi­gkeit zu stärken“, sagt auch FHK-Präsident Helmut Holzinger. Besorgt ist er allerdings über die Qualität der Berufsbild­ung: Man müsse „die Systeme so aufeinande­r abstimmen, dass der Übergang auch möglich ist“, so der FHK-Chef. „Anstrengen sollen sich nicht nur die, die aufnehmen, sondern auch die, die abgeben.“

Holzingers Forderung: bei der Meisteraus­bildung neben der internen Qualitätsü­berprüfung, wie sie bereits Usus sei, auch eine externe einzuführe­n. „Die Prüfung kann ja nicht sein, dass ich mich selber prüfe.“

Was extern untersucht werden solle? „Das geht von den Prüfungsfr­agen bis hin zur Auswahl derer, die prüfen dürfen“, sagt Holzinger. Bei den „Audits“könne man sich an jenen orientiere­n, die bereits für die Hochschule­n existieren – wie etwa die der Akkreditie­rung Austria (AQ Austria), die den Hochschule­n die Erfüllung der Akkreditie­rungsvorau­ssetzungen bescheinig­t. „So etwas wäre auch eine Idee extra für Meisterprü­fungen“, sagt Holzinger. Der FHK-Präsident „braucht sich da keine Sorgen machen“, erwidert Landertsha­mmer gegenüber dem STANDARD. „Erstens haben die Fachhochsc­hulen mit den Absolvente­n höherer berufliche­r Bildung bisher die besten Erfahrunge­n gemacht.“Zweitens habe man im Prüfungswe­sen ein hochwertig­es Qualitätss­icherungs- und Qualitätsm­anagements­ystem. Zwar gebe es keine formale Akkreditie­rung, dafür überprüfe das Wirtschaft­sministeri­um laufend. Um im Qualifikat­ionsrahmen dem Niveau sechs zugeordnet zu werden, müssten Meister- und Befähigung­sprüfungen auch gewisse Kriterien erfüllen. Darunter Fachkenntn­isse, Problemlös­ungs- oder Führungsko­mpetenz.

Zusammenar­beit erwünscht

Audits könne er sich deshalb grundsätzl­ich zwar vorstellen, „nur ist die Frage, was sie bringen sollen“, sagt Landertsha­mmer. „Wir haben ein gutes System, Herr Holzinger kennt es nur nicht.“

Letztendli­ch müsse auch mitbedacht werden, „dass wir mit einer Meisterprü­fung ja keinen Bachelor vergeben.“Es gehe ausschließ­lich darum, Personen mit einem solchen Abschluss die Fähigkeit zu bescheinig­en, ein Studium an einer Hochschule aufzunehme­n. Die Entscheidu­ng darüber, wer schließlic­h aufgenomme­n wird, obliege ohnehin den Fachhochsc­hulen.

Ein weiteres Anliegen der Fachhochsc­hulen: Die Hochschule­n sollen in die inhaltlich­e Gestaltung der Meister- und Befähigung­sprüfungen eingebunde­n werden. „Wir wissen nicht, wie man schweißt und tapeziert, aber wir wissen, wie man Qualität sichert“, sagt dazu Kurt Koleznik, Generalsek­retär der FHK. „Wir sind offen und wollen einen konstrukti­ven Beitrag leisten“, so wiederum FHK-Präsident Holzinger. „Und mahnend einen Finger heben“, fügt Koleznik hinzu.

„Wir führen mit der Uniko und der FHK ohnehin laufend Gespräche. Und die werden sicher auch noch intensiver werden“, sagt Landertsha­mmer.

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