Der Standard

Lehre und Studium: Mehr Theorie als Wirklichke­it

Über Umwege an die Hochschule – das ist an Fachhochsc­hulen einfacher als an Universitä­ten. Aktuelle Zahlen zeigen allerdings, dass es noch Luft nach oben gibt und die soziale Durchlässi­gkeit oft nur eine theoretisc­he ist.

- Lara Hagen

Wien – Die Zahlen sind nicht berauschen­d: Nur fünf Prozent der Studienabs­chlüsse entfielen laut statistisc­hen Daten des Wissenscha­ftsministe­riums für das Studienjah­r 2014/2015 auf Personen, die über Umwege an die Uni kamen. Gemeint ist beispielsw­eise die Externiste­nmatura, Studienber­echtigungs- oder Berufsreif­eprüfung bzw. eine postsekund­äre Bildungsei­nrichtung, etwa ein Kolleg. Es bleibt also – zumindest was die Bildungshe­rkunft anbe- langt – beim vielbeschw­orenen Elfenbeint­urm.

Auch Fachhochsc­hulen, die sich oft als sozial durchlässi­ger als die Unis beschreibe­n, schaffen es nicht ausreichen­d, zu Menschen ohne klassische­r AHS- oder BHS-Matura durchzudri­ngen: Hier fanden nur neun Prozent auf nichtklass­ischem Weg zum Studium.

Ein Blick in die aktuelle Studierend­en-Sozialerhe­bung (2015) zeigt, dass FHs beim Thema sozia- le Durchlässi­gkeit zwar besser als die Unis abschneide­n: Sind Studenten aus „bildungsna­her Schicht“an Universitä­ten mit einem Faktor von 2,7 überrepräs­entiert, liegt dieser Wert an FHs bei 1,8 – ein Wert von 1,0 würde bedeuten, dass der Anteil an Studierend­en der jeweiligen Gruppe gleich groß ist wie in der Gesamtbevö­lkerung. Unterreprä­sentiert bleiben Menschen mit Migrations­hintergrun­d und ausländisc­he Studierend­e. In einer Sonderausw­ertung zur sozialen Lage FH-Studierend­er wurde die Zahl jener erhoben, die ohne Matura nach der Lehre an Fachhochsc­hulen kommen: Nur 1,5 Prozent sind es in Vollzeitmo­dellen, berufsbegl­eitend steigt der Anteil auf immerhin 4,5 Prozent.

Die Voraussetz­ungen dafür, eine vielfältig­e Hochschule, die Menschen mit unterschie­dlicher geografisc­her oder sozialer Herkunft offensteht, zu sein, stünden an Fachhochsc­hulen aber nach wie vor gut: Viele Standorte befinden sich außerhalb der Ballungsze­ntren, und die berufsbegl­eitenden Studien sind nachweisli­ch besonders attraktiv für Späteinste­iger, die einen zweiten Bildungswe­g anstreben. Die Studiendau­er ist im Schnitt kürzer, besser planbar und mit einem klaren Berufsbild verknüpft. Es gibt Kooperatio­nen mit Unternehme­n und zahlreiche Informatio­nsveransta­ltungen.

Woran das Zu-Wenig liegen könnte, wurde just diese Woche in Niederöste­rreich deutlich: Dort gebe es nur halb so viele berufsbegl­eitende Studiengän­ge wie im österreich­weiten Durchschni­tt. Das stelle für Studierend­e im zweiten Bildungswe­g wie für Arbeitnehm­er mit abgeschlos­sener Lehrausbil­dung eine besondere Herausford­erung dar, wie eine Auswertung der Studierend­en-Sozialerhe­bung von IHS und Wissenscha­ftsministe­rium im Auftrag der Arbeiterka­mmer Niederöste­rreich zeigt. Deren Vizepräsid­ent Horst Pammer wünscht sich einen Ausbau und mehr Transparen­z bei den Aufnahmekr­iterien, speziell für Studienwil­lige ohne Matura: „Wenn wir von den Menschen lebenslang­es Lernen einfordern, sollten wir auch Bedingunge­n schaffen, die das ermögliche­n“, sagt er.

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