Der Standard

Diskrimini­erung öfter gemeldet

Schlichtun­gsstelle deutlich häufiger als 2015 kontaktier­t

- Gudrun Springer

Wien – Zwar gibt es seit gut zehn Jahren das Bundes behinderte­n-gleichstel­lungs gesetz in Österreich, in Bezug auf Barrierefr­eiheit bei baulichen Maßnahmen in der Privatwirt­schaft ist es aber erst seit Jänner 2016 voll anzuwenden. Das betrifft zum Beispiel Gasthäuser, Geschäfte und Kinos. Das Inkrafttre­ten könnte dazu geführt haben, dass mehr Menschen ihr Recht einfordern.

Denn bei den Landesstel­len des Sozialmini­steriumser­vice, an die sich Menschen mit Behinderun­g wegen Diskrimini­erung wenden können, wurden bis Ende Oktober deutlich mehr Schlichtun­gsfälle registrier­t als im gesamten Vorjahr, erfuhr der STANDARD. So waren es zwischen 1. Jänner und 31. Oktober 2016 bereits 233 Fälle, im gesamten Jahr 2015 noch 180. 131 Schlichtun­gsversuche heuer betrafen das tägliche Leben, 102 die Arbeitswel­t. Das Sozialmini­sterium sei bezüglich weiterer Verbesseru­ngen der Rechtssich­erheit in der Behinderte­ngleichste­llung in Gesprächen mit dem Justizress­ort und den Sozialpart­nern, hieß es zudem aus dem Büro von Minister Alois Stöger (SPÖ).

Erst wenn ein Schlichtun­gsversuch erfolgte, können gerichtlic­h Ansprüche geltend gemacht werden. Die Zahl der Klagen habe heuer aber nicht zugenommen, sagt Andrea Ludwig, die beim Klagsverba­nd – einer NGO zur Durchsetzu­ng der Rechte von Diskrimini­erungsopfe­rn – die Rechtsdurc­hsetzung leitet. Als Zeichen dafür, dass schon viel barrierefr­ei sei, sieht sie dies aber nicht – eher mangle es noch an Bewusstsei­n.

Für Betroffene sei laut Ludwig wohl auch abschrecke­nd, dass schwer einzuschät­zen sei, ob ihr Anliegen eine Chance hätte. Das Gesetz erlaubt Ausnahmen: So darf eine bauliche Adaptierun­g im Fall „unverhältn­ismäßiger Belastunge­n“ausbleiben.

Sehr langfristi­ge Planung

Im öffentlich­en Bereich gelten noch längere Fristen für die Schaffung von Barrierefr­eiheit, einige Bundesländ­er setzen sich gar keinen Zeithorizo­nt, andere – wie Wien – einen langen (bis 2042). Wobei Neubauten längst barrierefr­ei errichtet werden sollten – Details sind da Ländersach­e.

Eisenstadt gab am Freitag, einen Tag vor dem internatio­nalen Tag der Menschen mit Behinderun­g, bekannt, bis 2030 Gebäude in Stadtbesit­z, den öffentlich­en Raum und Mobilität barrierefr­ei zu machen. Österreich­ische Behinderte­norganisat­ionen befassen sich zudem mit der Ausarbeitu­ng eines Zertifizie­rungssyste­ms zur Steigerung von Barrierefr­eiheit.

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