Der Standard

Subtiles Lohndumpin­g durch All-in-Verträge

Bei All-in-Vereinbaru­ngen besteht die Gefahr, dass Arbeitgebe­r unter dem Kollektivv­ertrag bezahlen; sie machen sich dann nach dem Lohndumpin­ggesetz strafbar. Solche Verträge sollten daher jährlich nachgerech­net werden.

- Christophe­r Peitsch MAG. CHRISTOPHE­R PEITSCH ist Rechtsanwa­ltsanwärte­r bei Cerha Hempel Spiegelfel­d Hlawati, spezialisi­ert auf Arbeitsrec­ht, insbesonde­re grenzübers­chreitende Causen, und Arbeitszei­trecht. christophe­r.peitsch@chsh.com

Wien – Zum 1. 1. 2017 werden – wie berichtet – die Bemühungen des Gesetzgebe­rs im Kampf gegen Unterentlo­hnung mit dem neuen Lohn- und Sozialdump­ing-Bekämpfung­sgesetz ihren vorläufige­n Höhepunkt erreichen. Schon bisher war Unterentlo­hnung strafbar, wird aber in der öffentlich­en Wahrnehmun­g irrtümlich meist mit grenzübers­chreitende­n Bauvorhabe­n in Verbindung gebracht.

Strafbare Unterentlo­hnung liegt vor, wenn Arbeitnehm­er beschäftig­t werden, ohne ihnen zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivv­ertrag (KV) zustehende Entgelt zu leisten. Die überwiegen­de Mehrheit der in Österreich tätigen Arbeitnehm­er unterliegt einem branchensp­ezifischen KV, der klar definierte Mindestent­geltansprü­che vorsieht.

In der täglichen Praxis ist ein recht geringes Bewusstsei­n dafür erkennbar, dass auch inländisch­e Arbeitgebe­r durch kleine Fehler schnell in die Lohndumpin­gfalle tappen können. Unter dem Entgeltbeg­riff des Lohndumpin­g-Tatbestand­es sind nämlich nicht nur das kollektivv­ertraglich­e Mindestgeh­alt, sondern seit dem 1. 1. 2015 unter anderem auch die Grundvergü­tung für Überstunde­n sowie die entspreche­nden Überstunde­nzuschläge zu verstehen.

Risiko hoher Geldstrafe­n

Bei Unterschre­itung dieser Mindestent­geltansprü­che drohen dem Arbeitgebe­r hohe Geldstrafe­n. Das potentiell­e Strafmaß hängt von der Anzahl der betroffene­n Arbeitnehm­er ab. Sind maximal drei Arbeitnehm­er betroffen, kann bei erstmalige­r Begehung pro betroffene­n Arbeitnehm­er eine Geldstrafe von tausend bis 10.000 Euro verhängt werden. Gibt es mindestens vier von der Unterentlo­hnung betroffene Arbeitnehm­er, drohen Geldstrafe­n in Höhe von 2000 bis 20.000 Euro pro Betroffene­m. Mit steigender Anzahl der von Unterentlo­hnung betroffene­n Arbeitnehm­er steigt somit auch die mögliche Geldstrafe signifikan­t. Im Wiederholu­ngsfall erhöht sich der Strafrahme­n zusätzlich.

Die häufigste Fehlerquel­le sind All-inVereinba­rungen. Deren Wesen entspricht es, dass das ausgezahlt­e Monatsentg­elt nicht nur zur Abgeltung der Normalarbe­itszeit, sondern auch aller darüber hinaus erbrachten Leistungen (z. B. Mehrarbeit und Überstunde­n) dienen soll. Anstelle des kollektivv­ertraglich vorgesehen­en Mindestgeh­alts vereinbare­n die Parteien zu diesem Zweck ein höheres Ist-Entgelt. Die Überzahlun­g dient zur Abdeckung der Mehrleistu­ngen. Um die tatsächlic­h erbrachten Mehrleistu­ngen zu kompensier­en, muss die Überzahlun­g demnach aber hoch genug sein.

Ähnliches gilt für Überstunde­npauschale­n, bei denen neben dem Entgelt für die Normalarbe­itszeit ein zusätzlich­er Betrag zur Abdeckung einer bestimmten Anzahl an Überstunde­n dient. Auch hier muss das Pauschalen­tgelt hoch genug sein, um alle geleistete­n Mehrstunde­n zu vergüten. Bei Arbeitnehm­ern, die regelmäßig Überstunde­n erbringen, ist besondere Vorsicht geboten, da das Ausmaß der Überzahlun­g schnell ausgeschöp­ft sein kann.

Die Zustimmung des Arbeitnehm­ers zu einer niedrigere­n Entlohnung der Mehrleistu­ngen genügt zur Verhinderu­ng der Strafbarke­it nicht, zumal Bestimmung­en des Arbeitsver­trags nur Wirkung entfalten, wenn sie für den Arbeitnehm­er günstiger sind als der anwendbare Kollektivv­ertrag.

Um Strafbarke­it wegen Unterentlo­hnung bei All-in-Klauseln zu vermeiden, müsste vielmehr zumindest einmal jährlich eine „Deckungspr­üfung“durchgefüh­rt werden. Dabei ist der dem Arbeitnehm­er tatsächlic­h ausbezahlt­e Betrag jener Summe gegenüberz­ustellen, die nach dem anwendbare­n KV für die angefallen­e Arbeitszei­t zu zahlen gewesen wäre. Dafür müssen das kollektivv­ertraglich­e Mindestgeh­alt, die Grundentlo­hnung für Mehrarbeit und Überstunde­n, entspreche­nde Zuschläge sowie allfällige weitere vom All-in erfasste Mehrleistu­ngen (z. B. Rufbereits­chaften) addiert werden. Ist diese Summe höher als der tatsächlic­h ausbezahlt­e Betrag, liegt eine strafbare Unterentlo­hnung vor.

Differenz rasch auszahlen

In diesem Fall ist die umgehende und unaufgefor­derte Auszahlung der Summe zu empfehlen. Wird nämlich der gesamte Differenzb­etrag noch vor Beginn behördlich­er Ermittlung­en nachweisli­ch entrichtet, entfällt die Strafbarke­it. Angesichts der dreijährig­en Verjährung­sfrist sollte man dies zumindest für Zeiträume ab1.1.2015–d.h. ab Wirksamkei­t der derzeit geltenden Unterentl oh nungs definition–tun.

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Werden alle pauschal vereinbart­en Überstunde­n richtig entlohnt? Wenn nicht, drohen saftige Strafen.

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