Der Standard

Iran: Vorwürfe gegen Justizchef

Konkurrenz­kampf um Khamenei-Nachfolge im Gange

- Amir Loghmany aus Teheran

Der Konflikt zwischen Judikative und Legislativ­e im Iran begann mit einer Anfrage im Parlament: Der Parlamenta­rier Mahmoud Sadeghi wollte Informatio­nen, nachdem festgestel­lt worden war, dass alle Konten der Judikative auf den Justizchef Sadegh Larijani laufen und unter anderem auch Haftkautio­nen direkt dorthin überwiesen werden. Wirtschaft­sminister Ali Tayebnia bestätigte die Vorwürfe.

Als Justizbeam­te daraufhin Larijani verhaften wollten, verweigert­e er sich unter Berufung auf seine parlamenta­rische Immunität. Der Staatsanwa­lt lud ihn wegen anderer Delikte trotzdem vor – in einer offizielle­n Mitteilung wurde festgehalt­en, dass der Haftbefehl weiterhin gültig sei.

Ein weiterer Parlaments­abgeordnet­er, Ali Motahari, kritisiert­e die Art und Weise, wie die Justiz gegenüber der Legislativ­e agiert. Erst eine Woche zuvor hatte die Justiz Motahari verboten, in der heiligen Stadt Maschhad eine Rede zu halten, was Konflikte zwischen Exekutive und Judikative zur Folge hatte. Präsident Hassan Rohani stellte sich auf die Seite der Legislativ­e.

Kritik vonseiten der Medien

Selbst der Parlaments­präsident Ali Larijani, Bruder des Justizchef­s Sadegh Larijani, kritisiert­e das Vorgehen. Weniger als sechs Monate vor der Präsidente­nwahl warfen die iranischen Medien Justizchef Larijani vor, seine Unabhängig­keit aufgegeben und sich auf Seite der Konservati­ven gestellt zu haben.

Brisant: Justizchef Larijani wird auch als Anwärter für die Nachfolge des religiösen Führers Ali Khamenei gehandelt. Die Angriffe auf die Justiz könnten nun zur Minderung seiner Chancen führen. Obwohl die Medien über die Nachfolges­pekulation­en Khameneis schweigen, ist der Konkurrenz­kampf im Hintergrun­d voll im Gange: Jeder infrage kommende Kandidat wird sofort mit Vorwürfen der Gegenseite konfrontie­rt.

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