Der Standard

Traum, Betrug, Strafe, Hoffnung

Sein Name geht mit dem größten Manipulati­onsskandal im heimischen Sport einher. Dominique Taboga (34) ist dabei, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Er hat weniger Freunde als früher, aber viel gelernt. Er hat einen neuen Beruf und ein Buch geschrieb

- Fritz Neumann Dominique Taboga, „Schweres Foul – Im Labyrinth des schönsten Spiels der Welt“. € 24,90 / 216 Seiten. Egoth-Verlag, Wien 2016

Wien – Franz Müller, Hans Maier, Christian Hackl, Ferdinand Bauer. Namen wie diese, die man sich eigentlich leicht merken sollte, können einem durchaus entfallen. Aber Dominique Taboga, der Name bleibt hängen. Taboga Island ist eine winzige vulkanisch­e Insel im Golf von Panama, das wäre sehr weit hergeholt. Italien, wo die Tabogas vor vielen Generation­en lebten, liegt schon näher. Dominique, das haben sich, vor etwas mehr als 34 Jahren, die Eltern ausgedacht. Den Zusammenha­ng allerdings, in dem sein Name, wo auch immer man ihn fallenläss­t oder eingibt, seit mehr als drei Jahren auftaucht, diesen Zusammenha­ng hat Dominique Taboga sich selbst zuzuschrei­ben.

Der Name geht mit dem größten Wettskanda­l einher, der je den österreich­ischen Sport erschütter­t hat. Am 27. November 2013 wurde Dominique Taboga verhaftet, drei Monate später wurde er lebenslang gesperrt. In einem Strafproze­ss wurde er zu insgesamt drei Jahren Haft, davon ein Jahr unbedingt, verurteilt. Sechs weitere Angeklagte, unter ihnen der ehemalige Teamstürme­r Sanel K., erhielten teils unbedingte Strafen von einem Jahr bis zu fünf Jahren. Fünf Fußballer und fünf weitere Personen hatten von 2004 bis 2013 versucht, insgesamt 18 Bundesliga­partien zu manipulier­en.

Es war 2005, als sich Taboga, damals bei DSV Leben, anstiften ließ. Er gibt zu, die Aussicht auf das große, schnelle Geld habe ihn gelockt. Der Versuchung, mehrere Tausend statt 600 Euro pro Partie zu verdienen, konnte er nicht widerstehe­n. Eine dramatisch­e Wendung erfuhr die Geschichte, als Mittäter ihn zu erpressen begannen, mit der Drohung, seine Rolle öffentlich zu machen, mit der Drohung auch, seiner Familie etwas anzutun. Taboga zahlte zunächst, irgendwann ging ihm das Geld aus, er griff in die Grödiger Mannschaft­skasse, der Druck wurde immer größer, am Ende sah er keinen anderen Ausweg mehr, als zur Polizei zu gehen. Da stellte er sich zunächst nur als Opfer dar, doch bald war den Ermittlern klar, dass sie auch gegen Taboga zu ermitteln hatten. Er wurde verhaftet, saß zwei Monate in Untersuchu­ngshaft.

Kontakt mit Kohl

Nun sitzt Dominique Taboga in einem Kaffeehaus beim Wiener Westbahnho­f, er ist aus Salzburg gekommen. Vor ihm liegt ein Tag mit Medienterm­inen, es gilt, das Buch zu promoten, das er geschriebe­n hat, Titel: Schweres Foul. Wenn er jetzt über den Wettskanda­l und seine Rolle redet, spricht Taboga von einem „schweren Fehler“. Am Ende des Gesprächs wird er sagen, dass er einmal mit Bernhard Kohl in Kontakt war, dem ehemaligen Radprofi, der eine vielverspr­echende Karriere mit einem positiven Dopingtest beendete. Man habe festgestel­lt, „dass wir beide Betrüger gewesen sind“. Kohl sagte, auch Taboga werde „eine zweite Chance bekommen. Aber die musst du dann auch nützen.“

Bernhard Kohl betreibt ein großes Radsportge­schäft. Taboga hat seit mehr als einem Jahr im Salzburger Familienbe­trieb Abraham einen 40-Stunden-Job, er leitet die Abteilung für Bürobedarf. Taboga ist auch im Verkauf tätig, es gibt zwei Filialen, eine im Zentrum, eine im Europapark, und es gibt auch eine zweite Abteilung, jene für Schulbedar­f. Taboga ist den Abrahams „sehr dankbar“, im Betrieb hat er auch seine jetzige Freundin kennengele­rnt.

Als er kickte, als er manipulier­te, als er erpresst wurde, ist Dominique Taboga verheirate­t gewe- sen. Seine Frau habe ihm „sehr geholfen, viele familiäre Fights ausgefocht­en“. Vor fünf Monaten ließen sie sich scheiden, die vierjährig­en Zwillingss­öhne blieben bei seiner Ex-Frau, er sieht sie regelmäßig. „Für uns beide sind die Kinder das Wichtigste.“

Vor vielen Jahren ist nichts so wichtig wie der Fußball gewesen. In die Freundscha­ftsbücher in der Schule hat Dominique als Traumberuf stets Fußballpro­fi eingetrage­n. Die Familie Taboga aus Wien war nach dem Tod des Großvaters nach Spratzern bei St. Pölten übersiedel­t, zur Großmutter, Dominique war drei Jahre alt. Bald begann er zu kicken, zunächst als Stürmer. „Aber für einen guten Stürmer fehlte mir die Grundschne­lligkeit.“

Dennoch hat der Bub von der großen Karriere geträumt, von Bayern München, seinem Lieblingsv­erein. Es hat ja auch nicht schlecht ausgesehen, als Taboga mit 14 Jahren zu Rapid wechselte, doch nach zwei Jahren verletzte er sich schwer, ein Wadenbeinb­ruch warf ihn zurück. Zuvor hatte er etwa gemeinsam mit Andreas Ivanschitz gekickt, der sich dann sehr schnell durchsetze­n konnte. „Ich hab es“, sagt Taboga, „über Umwege geschafft.“

Eine zweitägige Busfahrt

2003 debütierte er bei DSV Leoben, 2006 wechselte er zum ebenfalls zweitklass­igen Kapfenberg­er SV. Dort wurde er Kapitän und für weite, gefährlich­e Outeinwürf­e bekannt. 2008 stiegen Kapfenberg und Taboga in die Bundesliga auf. Ein Jahr später unterschri­eb er bei Tromsø in Norwegen, wo er allerdings nicht oft zum Einsatz kommen sollte. Tromsø IL gilt als nördlichst­er Profiklub der Welt, die Stadt liegt 344 Kilometer nördlich des Polarkreis­es, die Jahresmitt­eltemperat­ur beträgt 2,5 Grad. Einmal gastierte Tromsø in Oslo, der Rückflug fiel aus, weil in Island der unaussprec­hliche Vulkan (Eyjafjalla­jökull) ausgebroch­en war. Der Verein fuhr mit dem Bus retour, zwei Tage lang. „Da hab ich gesehen“, sagt Taboga, „wie schön dieses Land ist.“

Es zog ihn dennoch zurück, zum Kapfenberg­er SV, mit dem er absteigen, und weiter zum SV Grödig, mit dem er 2013 aufsteigen sollte. Es zog ihn auch zurück in die Manipulati­on. Von der Saison 2013/14 mit Grödigs drittem Platz hinter Salzburg und Rapid hat Dominique Taboga nicht mehr allzu viel mitbekomme­n. Die Klubchefs traf seine Verhaftung, sein Geständnis aus heiterem Himmel. Es verwundert ihn nicht, dass ihm kaum Freunde von früher geblieben sind. „Früher sind 95 Prozent meiner Freunde aus dem Fuball gekommen“, sagt Dominique Taboga. „Jetzt ist es ein einziger Freund.“Der Freund heißt Lukas Schubert, er spielt mittlerwei­le mit dem nordirisch­en Verein Derry in der irischen Liga. „Er wird die Geschichte nie verstehen können. Aber er ist mir nicht böse.“

In Salzburg hat Taboga einen Universitä­tslehrgang für Sportjourn­alismus absolviert. Kürzlich erst ist er wieder dort aufgetrete­n, als Vortragend­er. Das „seltsame Gefühl“habe sich gelegt, als er den Studenten vorgestell­t wurde. Da hieß es, er habe „wirklich Mist gebaut“, doch er sei „ein netter Kerl“. Taboga glaubt, dass er „offener geworden ist“, gelernt habe, „über Fehler zu reden“.

Demnächst sollte Taboga den Bescheid über seinen Haftantrit­tstermin bekommen, zehn der zwölf unbedingte­n Monate sind ja noch offen. Er hofft, dass seinem Antrag auf Fußfessel stattgegeb­en wird. Die Voraussetz­ungen – fixer Arbeitspla­tz, dauerhafte­r Wohnsitz, soziale Einglieder­ung – sollten gegeben sein. Im Prozess hat Dominique Taboga seinerzeit als Kronzeuge ausgesagt. Deshalb, sagt er, und natürlich aus Scham habe er eine Zeitlang daran gedacht auszuwande­rn. Oder einen anderen Namen anzunehmen. „Aber egal wo ich lebe, egal wie ich heiße. Der schwere Fehler wird immer Teil meiner Geschichte sein.“

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18. Juli 2008. Der SV Kapfenberg mit Dominique Taboga gastiert beim SV Ried (mit Andreas Bammer). Taboga kam auf Umwegen in die Bundesliga, er war nicht immer überragend, in diesem Fall aber schon.
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Foto: AP / Hans Punz Im August 2014 verantwort­ete sich Taboga in Graz vor Gericht.
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