Der Standard

Angst vor einem Rechtsruck

Ein breites Bündnis hat Van der Bellen den Weg in die Hofburg ermöglicht

- Alexandra Föderl-Schmid

Es war eine Richtungse­ntscheidun­g, und sie ist deutlicher als erwartet ausgefalle­n: Österreich­s Wählerinne­n und Wähler wollten mehrheitli­ch keinen Rechtspopu­listen als Bundespräs­identen. Damit hat Österreich am Ende eines Jahres, das bereits den Brexit und Donald Trump als US-Präsidente­n gebracht hat, einen Kontrapunk­t gesetzt.

Dass mit Alexander Van der Bellen erstmals ein Grüner – auch wenn er das im Wahlkampf zu verstecken versuchte – Staatsober­haupt eines westeuropä­ischen Landes wird, hat Signalwirk­ung über Österreich hinaus. Van der Bellen hat aber nicht nur Grün-Anhänger zur Stimmabgab­e bewegt, sondern auch darüber hinaus mobilisier­en können: all jene, die eine Stimme gegen Hofer abgeben wollten, auch wenn sie von Van der Bellen nicht so überzeugt waren; andere, die sich nicht wundern wollten nach diesem Wahltag. Er konnte auch jene ansprechen, die Angst hatten vor einem Klima in Österreich, in dem antisemiti­sche und fremdenfei­ndliche Aussagen immer alltäglich­er werden; wo Freiheit der Kunst, der Wissenscha­ft und der Medien infrage gestellt wird; wo Diskrimini­erung und Hetze zum „guten Ton“gehören. Kurzum: Die von Karl Popper propagiert­e „offene Gesellscha­ft“stand mit zur Abstimmung. it Van der Bellen ist auch die Verankerun­g Österreich­s in der EU nicht infrage gestellt und die drohende Gefahr einer Abschottun­g abgewendet. Denn Norbert Hofer hatte nicht nur Aussagen zu einem Austrittsr­eferendum getroffen, sondern ist auch für eine Annäherung Österreich­s an die sogenannte­n Visegrád-Staaten eingetrete­n, deren Vertreter wie Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán für einen autoritäre­n Politiksti­l und eine Einschränk­ung demokratis­cher Rechte, wie sie die polnische Regierung vornimmt, stehen.

Van der Bellen verdankt seinen Wahlsieg nicht nur der sogenannte­n Schickeria, sondern auch SPÖ-Funktionär­en und vor allem vielen ÖVPBürgerm­eistern auf dem Land, die diesmal organisier­t für ihn gelaufen sind – obwohl sich die Bundespart­eileitung erneut zu keiner klaren Wahlempfeh­lung durchringe­n konnte. Irmgard Griss und Heinz Fischer haben mit ihrem öffentlich­en Eintreten für Van der Bellen ebenfalls ihren Beitrag zu seinem Wahlsieg geleistet.

MEs waren ein breites Bündnis und die Angst vor einem Rechtspopu­listen als Präsident, die Van der Bellens Wahl ermöglicht haben. Sie alle stehen für das „andere Österreich“, das keinen Rechtspopu­listen an der Staatsspit­ze haben wollte.

Es wird nun an Van der Bellen liegen, Brücken über die Gräben, die während des Wahlkampfs aufgerisse­n wurden, zu errichten. Von seinem Naturell her wird er diese Aufgabe erfüllen. Schließlic­h hat er schon bei den Grünen als Vermittler zwischen verschiede­nen Lagern und Anschauung­en agiert.

Aber wird er auch das umsetzen, was ihm der oft zu zögerliche und zurückhalt­ende Heinz Fischer als Vermächtni­s hinterlass­en hat – als Mahner und Antreiber zu fungieren? „Veränderun­g ist oft unbequem, schmerzhaf­t und anstrengen­d. Aber auf Veränderun­g zu verzichten kann noch viel schmerzhaf­ter werden“, sagte Fischer zum Abschied.

Er hinterließ damit Van der Bellen, aber auch der SPÖ-ÖVP-Regierung, die an diesem Wahlsonnta­g indirekt eine weitere Chance zur Zusammenar­beit in dieser Konstellat­ion erhalten hat, einen Auftrag.

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