Angst vor einem Rechtsruck
Ein breites Bündnis hat Van der Bellen den Weg in die Hofburg ermöglicht
Es war eine Richtungsentscheidung, und sie ist deutlicher als erwartet ausgefallen: Österreichs Wählerinnen und Wähler wollten mehrheitlich keinen Rechtspopulisten als Bundespräsidenten. Damit hat Österreich am Ende eines Jahres, das bereits den Brexit und Donald Trump als US-Präsidenten gebracht hat, einen Kontrapunkt gesetzt.
Dass mit Alexander Van der Bellen erstmals ein Grüner – auch wenn er das im Wahlkampf zu verstecken versuchte – Staatsoberhaupt eines westeuropäischen Landes wird, hat Signalwirkung über Österreich hinaus. Van der Bellen hat aber nicht nur Grün-Anhänger zur Stimmabgabe bewegt, sondern auch darüber hinaus mobilisieren können: all jene, die eine Stimme gegen Hofer abgeben wollten, auch wenn sie von Van der Bellen nicht so überzeugt waren; andere, die sich nicht wundern wollten nach diesem Wahltag. Er konnte auch jene ansprechen, die Angst hatten vor einem Klima in Österreich, in dem antisemitische und fremdenfeindliche Aussagen immer alltäglicher werden; wo Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Medien infrage gestellt wird; wo Diskriminierung und Hetze zum „guten Ton“gehören. Kurzum: Die von Karl Popper propagierte „offene Gesellschaft“stand mit zur Abstimmung. it Van der Bellen ist auch die Verankerung Österreichs in der EU nicht infrage gestellt und die drohende Gefahr einer Abschottung abgewendet. Denn Norbert Hofer hatte nicht nur Aussagen zu einem Austrittsreferendum getroffen, sondern ist auch für eine Annäherung Österreichs an die sogenannten Visegrád-Staaten eingetreten, deren Vertreter wie Ungarns Regierungschef Viktor Orbán für einen autoritären Politikstil und eine Einschränkung demokratischer Rechte, wie sie die polnische Regierung vornimmt, stehen.
Van der Bellen verdankt seinen Wahlsieg nicht nur der sogenannten Schickeria, sondern auch SPÖ-Funktionären und vor allem vielen ÖVPBürgermeistern auf dem Land, die diesmal organisiert für ihn gelaufen sind – obwohl sich die Bundesparteileitung erneut zu keiner klaren Wahlempfehlung durchringen konnte. Irmgard Griss und Heinz Fischer haben mit ihrem öffentlichen Eintreten für Van der Bellen ebenfalls ihren Beitrag zu seinem Wahlsieg geleistet.
MEs waren ein breites Bündnis und die Angst vor einem Rechtspopulisten als Präsident, die Van der Bellens Wahl ermöglicht haben. Sie alle stehen für das „andere Österreich“, das keinen Rechtspopulisten an der Staatsspitze haben wollte.
Es wird nun an Van der Bellen liegen, Brücken über die Gräben, die während des Wahlkampfs aufgerissen wurden, zu errichten. Von seinem Naturell her wird er diese Aufgabe erfüllen. Schließlich hat er schon bei den Grünen als Vermittler zwischen verschiedenen Lagern und Anschauungen agiert.
Aber wird er auch das umsetzen, was ihm der oft zu zögerliche und zurückhaltende Heinz Fischer als Vermächtnis hinterlassen hat – als Mahner und Antreiber zu fungieren? „Veränderung ist oft unbequem, schmerzhaft und anstrengend. Aber auf Veränderung zu verzichten kann noch viel schmerzhafter werden“, sagte Fischer zum Abschied.
Er hinterließ damit Van der Bellen, aber auch der SPÖ-ÖVP-Regierung, die an diesem Wahlsonntag indirekt eine weitere Chance zur Zusammenarbeit in dieser Konstellation erhalten hat, einen Auftrag.