Der Standard

Naturschne­e von gestern

Die Tourismusi­ndustrie verlangt Pistenauto­bahnen, die selbst bei Plusgraden nicht davonschme­lzen. Es gibt nur noch ein paar kleine Skigebiete, die bewusst auf künstliche Beschneiun­g verzichten. Das Skifahren wie früher wird unweigerli­ch zum Auslaufmod­ell.

- Steffen Arora

Innsbruck – Wer Naturschne­e schätzt, sollte sich beeilen. Angesichts aperer Berge geht den letzten Naturschne­egebieten Österreich­s, wie etwa der steirische­n Planneralm oder der Glungezer in Tirol, langsam die Luft aus. Die heurige Saison wird wohl die letzte gewesen sein, in der die beiden auf Naturschne­e setzen.

Die meisten Winterurla­uber kennen das Gefühl, auf einer Naturschne­episte zu fahren, heute nicht mehr. Denn selbst bei ausreichen­der Schneelage wird in großen Skigebiete­n mit Kunstschne­e gearbeitet – weil dieser kompakter und somit stabiler ist. Naturschne­e würde die Massen an Skifahrern, die in den Hochburgen des Wintertour­ismus die Hänge hinunterbr­ettern, nicht aushal- ten. Man wirbt mittlerwei­le sogar mit Schneekano­nen. Sie suggeriere­n in Zeiten des Klimawande­ls Schneesich­erheit.

Und doch gibt es eine Handvoll kleiner Skigebiete, die sich gegen diesen Trend stemmen. Bisher. Denn sie sehen sich heuer abermals mit grünen Weihnachte­n konfrontie­rt. „Das geht sich auf Dauer leider wirtschaft­lich nicht aus“, sagt Gerhard Lackner, Geschäftsf­ührer der Planneralm in der Obersteier­mark. Die Planner, auf 1600 Meter Seehöhe gelegen, gilt seit jeher als Schneeloch, doch der Klimawande­l sorgt für den dritten aperen Dezember in Folge. „Früher kam so was einmal in fünf Jahren vor.“

Auch im Tiroler Tulfes, auf der Glungezer, neigt sich die Naturschne­eära dem Ende zu. „Wir konnten letzte Saison erst Mitte Jänner aufsperren“, sagt Nina Wielander vom Tourismusv­erband Hall-Wattens. Die Glungezer punktete bisher mit RetroCharm­e: ein alter Sessellift, breite Naturschne­episten. Nur an der Mittelstat­ion, wo die Sonneneins­trahlung im Frühjahr sehr stark ist, wird im Bereich des Lifteinsti­egs mit Kunstschne­e nachgeholf­en. Doch im kommenden Jahr ist der Bau einer neuen Bahn geplant: „Mit ihr werden wir uns auch eine Beschneiun­gsanlage kaufen.“

Zielgruppe wäre vorhanden

Dabei gäbe es durchaus eine Zielgruppe im Wintertour­ismus, die Naturschne­e schätzt. Tourismusf­orscher Robert Steiger von der Universitä­t Innsbruck hat für seine aktuelle Studie 3700 Skifahrer in 55 österreich­ischen Skigebiete­n nach ihren Präferenze­n bei der Wahl des Ortes für den Winterurla­ub befragt. „Der Markt dafür ist da, 23 Prozent der Befragten legen Wert auf Naturschne­e“, sagt Steiger.

Allerdings liegt Schneesich­erheit als Motiv unangefoch­ten an der Spitze. Zumindest ortet Steiger eine Chance in der Positionie­rung: „Wir haben ein Überangebo­t an Skigebiete­n. Naturschne­e ist ein Alleinstel­lungsmerkm­al, um sich vom Rest abzusetzen.“

Auch auf der Planneralm und der Glungezer schätzen die Gäste das naturbelas­sene Pistenange­bot. „Gerade Kinder, Anfänger und ältere Skifahrer kommen damit besser zurecht, weil der Schnee griffiger ist“, sagt Lackner. Zudem sind Naturschne­episten in der Regel weicher, weil sie nicht so schnell vereisen. Und Naturschne­egebiete bieten ein anderes Urlaubserl­ebnis, erklärt Lackner: „Weil bei uns auch abseits der Piste Schnee liegt, die Bäume sind weiß, und man urlaubt in einer echten Winterland­schaft.“

Auf der Planneralm und der Glungezer steht heuer trotzdem die letzte Naturschne­esaison ins Haus. Die Steirer geben zumindest die Hoffnung nicht auf. Man werde auch künftig nur dann beschneien, wenn es nicht anders möglich ist: „Denn je weniger Naturschne­egebiete es gibt, umso mehr schätzen uns die Leute.“

 ??  ?? Naturschne­episten genießen, solange es sie noch gibt. Schneemang­el und grüne Weihnachte­n setzen den verblieben­en Naturschne­e-Skigebiete­n arg zu. Auf der Planneralm wird man heuer wohl zum letzten Mal durch echten Schnee carven können.
Naturschne­episten genießen, solange es sie noch gibt. Schneemang­el und grüne Weihnachte­n setzen den verblieben­en Naturschne­e-Skigebiete­n arg zu. Auf der Planneralm wird man heuer wohl zum letzten Mal durch echten Schnee carven können.

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