Der Standard

Österreich­s Arbeitsmar­kt spaltet sich zunehmend

Die Politik muss sich nicht nur um die vielen Menschen ohne Job kümmern. Denn auch unter jenen, die eine Arbeit haben, steigt die Unsicherhe­it. Junge, Ausländer und Geringqual­ifizierte finden immer öfter nur mehr schlecht bezahlte, instabile Arbeitsplä­tze

- Andreas Sator

Wien – Wer vor einigen Jahren einen Job begonnen hat und ihn heute noch immer ausübt, gehört in Österreich zu einer selten gewordenen Gattung von Arbeitnehm­ern. Das zeigen Zahlen der Statistik Austria, die am Donnerstag im Klub der Wirtschaft­spublizist­en präsentier­t wurden. Dass jemand nach der Ausbildung sein gesamtes Arbeitsleb­en bei derselben Firma bleibt, scheint ein Relikt der Vergangenh­eit zu sein.

Die große Mehrheit der Menschen, die vor einigen Jahren eine Arbeit begonnen hat, wurde binnen zweier Jahre gekündigt oder hat freiwillig die Firma gewechselt. Genauer: Nur 22 Prozent derjenigen, die 2010 eine Arbeit aufgenomme­n haben, waren zwei Jahre später noch bei demselben Arbeitgebe­r. Nach fünf Jahren waren es nur mehr elf Prozent.

Menschen, die schon seit vielen Jahren beim selben Unternehme­n arbeiten, sind in der Analyse der Statistik Austria nicht enthalten. Davon gibt es nach wie vor viele. Mit Stand Ende Juni gab es über 1,5 Millionen Menschen, die seit über fünf Jahren bei derselben Firma arbeiten, teilte das Sozialmini­sterium auf STANDARD- Anfrage mit. Das sind 44 Prozent aller Arbeitnehm­er im Land.

Nur ein Teil wird beleuchtet

Die Statistik Austria wirft hingegen Licht auf die Situation für viele Jüngere, Ausländer und Personen mit niedrigere­r Ausbildung. Sie zeigt für sie, dass Jobs, die heute aufgenomme­n werden, nicht mehr lange Bestand haben.

Die Statistikb­ehörde hat für ihre Auswertung bereits instabile Berufe herausgere­chnet, die das Bild verzerren würden. Im Bau oder in der Gastronomi­e werden Arbeiter und Angestellt­en oft nach der Saison wieder gekündigt und im Jahr darauf neu eingestell­t. Viele Schüler und Studenten fangen jedes Jahr in den Ferien einen anderen Ferialjob an.

Trotzdem ist der betrachtet­e Ausschnitt größer, als man denken könnte. Lässt man die Selbststän­digen weg, gibt es um die 3,5 Millionen Menschen, die im Land arbeiten. 40 Prozent davon – 1,4 Millionen – haben 2010 eine neue Arbeit aufgenomme­n.

Rechnet man nun unter anderem Kellner, Bauarbeite­r, Schüler und Studenten weg, bleiben noch immer 750.000 Beschäftig­te. Für diese immerhin gut 20 Prozent aller Arbeitnehm­er trifft die Analyse der Statistik Austria also zu.

Drastische Unterschie­de

„Es gibt in dieser Gruppe eine extrem hohe Fluktuatio­n“, sagte Statistik-Chef Konrad Pesendorfe­r bei der Präsentati­on der Zahlen. Frauen arbeiten tendenziel­l länger bei derselben Firma als Männer. Wer unter 30 oder über 50 Jahre alt ist, ist in der Analyse besonders selten länger als zwei Jahre beim Unternehme­n.

Dass junge Menschen öfter den Job wechseln, ist an sich noch kein Grund zur Sorge, sagen Fachleute. Oft findet sich der passende Arbeitgebe­r erst beim zweiten oder dritten Versuch. Deutlich größere und besorgnise­rregendere Unterschie­de gibt es hingegen bei Menschen mit formal hoher und niedriger Bildung. Erstere bleiben viel länger beim selben Unternehme­n. Unter den Jungen, die maximal einen Pflichtsch­ulabschlus­s vorweisen können, waren zwei Jahre nach Jobantritt nur mehr 13 Prozent bei derselben Firma beschäftig­t. Bei den Uni-Absolvente­n ist die Rate drei Mal so hoch.

Das macht auch Arbeitsmar­ktexperten Sorgen. „In Österreich wächst die Segmentier­ung“, sagt Wifo-Ökonom Rainer Eppel zum STANDARD. „Ein Teil hat eine stabile Arbeit. Ein Drittel, vor allem formal weniger gut Gebildete, Ausländer und Junge, landet immer öfter in instabilen Jobs.“

Ganz allgemein sei es nichts Negatives, wenn die Menschen öfters den Job wechseln. Der heimische Arbeitsmar­kt ist im internatio­nalen Vergleich dynamisch, so Eppel. „Der Kündigungs­schutz ist niedrig, die soziale Absicherun­g dafür hoch.“Das sei gut für eine Volkswirts­chaft und schaffe Jobs.

Gleichzeit­ig gebe es aber immer weniger stabile Arbeitsver­hältnisse. Das dürfte der Grund sein, warum sich die Reallöhne im Land so schwach entwickeln, sagt Eppel. Wer ständig den Job wechselt, hat oft nichts von der Lohnerhöhu­ng.

 ??  ?? Wer seinen Job wechselt, hat Chancen auf mehr Geld und Zufriedenh­eit. Wer es – unfreiwill­ig – öfter tun muss, verliert in der Regel.
Wer seinen Job wechselt, hat Chancen auf mehr Geld und Zufriedenh­eit. Wer es – unfreiwill­ig – öfter tun muss, verliert in der Regel.

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