Der Standard

Der schwierige Schutz der Schätze

Städte wie Salzburg und Wien sehen „keine besondere touristisc­he Auswirkung“dadurch, dass sie als Unesco-Weltkultur­erbe gelten. Während Wien den Status gefährdet, versuchen andere Orte in Österreich, ihn zu erlangen.

-

Nach einer Nachdenkpa­use war der Turm um sieben Meter geschrumpf­t. Die vor einem Monat vorgestell­ten Pläne für das Hochhaus auf dem Wiener Heumarkt in Wien-Landstraße sehen nun ein 66 Meter hohes Gebäude neben dem neugestalt­eten Eislaufver­einsareal vor. Für die österreich­ische Unesco-Kommission ist diese Vision noch 23 Meter zu hoch, um das „Historisch­e Stadtzentr­um von Wien“weiter Weltkultur­erbe zu nennen. Bei der Sitzung des Welterbeko­mitees im Juli in Krakau dürfte Wien daher auf der Roten Liste gefährdete­r Unesco-Stätten landen. Verwarnt wurde es bereits.

Die City steht seit 2001 auf der Welterbeli­ste – Schloss und Park Schönbrunn seit 1996. Der Unesco-Schutz des Zentrums umfasst im Wesentlich­en den ersten Bezirk (ohne Donaukanal­ufer) sowie angrenzend­e Bereiche des dritten (Palais Schwarzenb­erg, Schloss Belvedere, Salesianer­innenklost­er), vierten, siebten und neunten Bezirks. Rundherum gilt auch eine Schutz-Pufferzone.

Status ohne Folgen?

Warum die Stadt Wien überhaupt das gesamte Zentrum als eine Unesco-Zone beantragt hat, stellt Wiens Tourismusd­irektor Norbert Kettner infrage. Aus touristisc­her Sicht habe die Verleihung des Unesco-Titels jedenfalls keine messbaren Folgewirku­ngen gehabt, daher hätte „eine Aberkennun­g aus touristisc­her Sicht ebenso keine“, meint Kettner.

„Keine besondere touristisc­he Auswirkung“hat der Weltkultur­erbestatus auch nach Einschätzu­ng von Salzburgs Bürgermeis­ter Heinz Schaden (SPÖ). Schadens Bilanz nach knapp zwei Jahrzehnte­n Welterbest­atus ist „durchwachs­en“, wie er sagt. Besonders ärgert ihn eine gewisse Abgehobenh­eit des Nationalko­mitees des Internatio­nalen Rats für Denkmalpfl­ege Icomos (offizielle­r Berater der Unesco in Welterbefr­agen).

Die Kritik von Icomos an Neubauten wie beispielsw­eise am neuen Uni-Park im Stadtteil Nonntal sei überzogen. Icomos hatte die neue Uni als „Anfängerfe­hler“abgekanzel­t. An eine mögliche Aberkennun­g der Auszeichnu­ng möchte Schaden aber auch nicht denken: „Das mit Dresden war ein sehr unschöner Vorgang.“

Die Stadt Dresden im Freistaat Sachsen hat bereits Erfahrung mit der Titelaberk­ennung wegen des Baus der vierspurig­en Waldschlös­schenbrück­e im Loreleytal (siehe Interview Seite 3). Ein paar Jahre danach sagte Sachsens FDPChef Holger Zastrow zu den Folgen: „Dresden ist kein Stück unattrakti­ver geworden, weder für die Einwohner noch für Touristen.“

Besucheran­drang kann den Status ebenfalls ins Wanken bringen: Zumindest steht dieser Schritt für Venedig im Raum – wegen der vielen Kreuzfahrt­schiffe.

Listenplat­z als Ziel

Es gibt aber in Österreich derzeit auch Regionen, die auf den Welterbest­atus hinarbeite­n. So bewerben sich etwa mehrere Orte als Teil des Donau-Limes darum, auf die Liste zu kommen – gemeinsam mit Gemeinden anderer Länder. Hier liegt das Erbe oft unter der Erde, was Bauverbots­zonen zur Folge haben kann.

Hans Wallowitsc­h (SPÖ), Bürgermeis­ter von Bad Deutsch-Altenburg, hofft, dass die Unesco 2018 den Donau-Limes zum Welterbe erklärt. Zwar sei dieser Status „etwas Abstraktes“, dennoch könne seine Gemeinde sowie das benachbart­e Petronell-Carnun- tum davon touristisc­h profitiere­n – und das, so meint der Ortschef, wohl mehr als eine so bekannte Stadt wie Wien. Außerdem könne dies ein Argument für Landesgeld­er sein und Impulsgebe­r für grenzübers­chreitende Projekte, meint Wallowitsc­h.

Auch die Münzpräges­tadt Hall in Tirol versucht gerade erneut, auf die Liste des Weltkultur­erbes gesetzt zu werden. Zuletzt reichte man 2014 für die historisch­e Altstadt sowie den Münzturm, in dem 1486 der erste Taler geprägt wurde, ein. Doch Icomos habe abgeraten, sagt Vizebürger­meister Werner Nuding (ÖVP). Zwischenze­itlich wurden bei archäologi­schen Ausgrabung­en die Überreste der mit Wasser angetriebe­nen Walzenpräg­emaschine gefunden. „Nun wird auf Bundeseben­e eine neuerliche Einreichun­g geprüft“, so Nuding.

Andere Bürgermeis­ter, wie der Hallstätte­r Alexander Scheutz (SPÖ) haben mit dem Welterbest­atus so ihre liebe Not. Seit langem versuchen die Hallstätte­r das barocke ehemalige Salinen-Amtshaus mittels eines Anbaus zu einem Hotel umzubauen. Bis dato ist man am Weltkultur­erbestatus gescheiter­t. Jetzt will Scheutz mit einem internatio­nalen Architekte­nwettbewer­b die Blockade durch Icomos überwinden. Die Qualität der Entwürfe werde hoch sein, verspricht Scheutz. (ars, neu, spri)

 ??  ?? Das Projekt auf dem Wiener Heumarkt nach einem Entwurf von Isay Weinfeld ist auch vom Oberen Belvedere aus sehr deutlich zu sehen. Das missfällt dem Unesco-Komitee.
Das Projekt auf dem Wiener Heumarkt nach einem Entwurf von Isay Weinfeld ist auch vom Oberen Belvedere aus sehr deutlich zu sehen. Das missfällt dem Unesco-Komitee.
 ??  ?? Wien im Jahr 2050? Gleiche Location wie oben. Die Collage potenziert die Befürchtun­gen von Bewahrern des Kulturerbe­s.
Wien im Jahr 2050? Gleiche Location wie oben. Die Collage potenziert die Befürchtun­gen von Bewahrern des Kulturerbe­s.

Newspapers in German

Newspapers from Austria