Vergessenes Liebkind der Linken
Bei Vermögenssteuern ist Kern defensiver als Faymann
Wien – Es war einer der zentralen Vorwürfe aus den eigenen Reihen: Werner Faymann beschwöre die Vermögenssteuer zwar in Sonntagsreden, fechte diese jedoch nicht entschlossen in der Koalition durch, kritisierten Linke in der SPÖ zu Zeiten des früheren Kanzlers. Der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler tat dies als Erfinder der Initiative Kompass besonders laut – und bis heute lässt er keine Nachsicht walten: „Faymann hat damit drei Wahlkämpfe bestritten, aber nichts in die Realität umgesetzt.“
Kein konkretes Modell mehr
Was sich vergangene Woche allerdings herausstellte: Erbe Christian Kern tritt in dieser Fahnenfrage deutlich defensiver auf als der vielgescholtene Vorgänger. Ein konkretes Modell für eine generelle Vermögenssteuer propagiert der nunmehrige Kanzler und SP-Chef im Gegensatz zu Faymann nicht, übrig blieb eine auf vergleichsweise geringe Erlöse zugeschneiderte Erbschaftssteuer. Alles darüber hinaus klang in Kerns Rede nach einem Projekt für den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Muss ein linker Faymann-Kritiker da nicht herb enttäuscht sein? Keineswegs, antwortet Babler und erklärt sich die Zurückhaltung mit dem Motiv hinter dem Auftritt: „Das war ja keine Erste-MaiKampfansprache.“
Der Parteichef habe seine Rede zu einem großen Teil als Regierungsprogramm verstanden, da könne er nicht kompromisslos auftreten. „Aber ich bin sicher, dass Christian Kern die Forderung nach der Vermögenssteuer nicht ad acta legt“, sagt Babler. Denn dass diese für die Zukunft unverzichtbar sei, stehe fest.
Auch jetzt schon hat der streitbare Genosse aus Niederösterreich so manches linke Signal herausgehört. Dass ein SPÖ-Obmann offensiv und konkret für staatliche Eingriffe in die Wirtschaft plädiere, „darauf haben wir lange warten müssen“. Die beeindruckendste Passage der Rede sei Kerns Selbstkritik inklusive Entschuldigung an die (ehemals) rote Wählerschaft – „wir sind vom Weg abgekommen, nicht ihr“– gewesen.
Babler verhehlt aber nicht, dass ihm manche Ansage in die andere Richtung zu weit geht. Den Ruf nach flexibleren Arbeitszeiten „würde ich so nicht unterschreiben“, sagt er. Am Ende liefen solche Reformen auf Reallohnverluste hinaus: „Arbeitnehmerrechte darf man nicht aufweichen.“Und grundsätzlich: Was Kern da alles fordere, „muss schon auch noch von der Partei legitimiert werden“.