Der Standard

Asylantrag­szahlen halbiert – Obergrenze unterboten

Die Zahl von Asylanträg­en war 2016 stark rückläufig, doch für Streit ist im Flüchtling­swesen weiter gesorgt: Die Übergabe der Airportbet­reuung an die Firma ORS ist laut Grünen ein „Schlag ins Gesicht der Steuerzahl­er“.

- Irene Brickner

Wien/Schwechat – Eine in einem Vortrag Innenminis­ter Wolfgang Sobotkas (ÖVP) an den Ministerra­t enthaltene Asyl-Gesamtstat­istik für das Jahr 2016 zeigt: Im Vergleich zu 2015, dem Jahr der großen Fluchtbewe­gung, ist die Zahl von Asylanträg­en in Österreich im Vorjahr um mehr als die Hälfte zurückgega­ngen – konkret um 52,4 Prozent. Offiziell veröffentl­icht wurde diese Statistik bisher aber nicht.

Nach dem Ausnahmeja­hr 2015 mit 88.340 Ersuchen um internatio­nalen Schutz von, vor allem, Afghanen, Syrern und Irakern gab es demnach im Vorjahr 42.073 Anträge (siehe Grafik) – bei gleichgebl­iebenem Herkunftsl­and-Ranking. Damit wurden 2016 in Österreich Asylanträg­e in einer Größenordn­ung wie zuletzt im Jahr 2002 (39.354 Anträge) gestellt.

Auch 2002 hatten die Afghanen die Statistik angeführt, gefolgt von Flüchtling­en aus Ex-Jugoslawie­n, aus dem Irak sowie aus Tschetsche­nien. In den Jahren dazwischen waren die Ankunftsza­hlen niedriger, mit einem Tiefpunkt 2010 mit 11.012 Asylanträg­en.

2016 hätten sich die Asylantrag­szahlen „weiterhin auf hohem Niveau“bewegt, hält Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) in dem der APA vorliegend­en Ministerra­tsvortrag fest. Die Zahl zum Asylverfah­ren zugelassen­er (und damit auf die Asyl-Obergrenze anzurechne­nder) Personen gibt der Minister mit 36.030 an.

Damit, so Sobotka, sei die 2016 geltende Obergrenze von 37.500 Asylanträg­en zu 96 Prozent ausgeschöp­ft worden. Wie berichtet, will die ÖVP die bis 2019 vereinbart­en, degressive­n Obergrenze­n zusätzlich halbieren. Eine Über- schreitung wäre so sehr wahrschein­lich. Für 2017 ist bislang eine Obergrenze von 37.000 Anträgen vereinbart.

Streit um Flughafenb­etreuung

Für die Schweizer Flüchtling­s-betreuungs­firma ORS, die vom Innenminis­terium für die Asylwerber­betreuung in sämtlichen Stellen des Bundes engagiert ist, dürften die gesunkenen Asylantrag­szahlen Umsatz- und Gewinnerwa­rtungen schmälern. 2,5 Millionen Euro Gewinn hatte das Unter- nehmen 2015 in Österreich ausgewiese­n. Im Vergleich zum Jahr davor war das ein Plus von 150 Prozent: 2014, als in Österreich 28.064 Asylanträg­e gestellt wurden, hatte der Gewinn eine Million Euro betragen.

Wie der Standard berichtete, ist die Firma ORS seit heurigem Jänner auch für die Versorgung gestrandet­er Personen im Sondertran­sit des Flughafens Wien zuständig. Mit Ende Dezember beendete das Ministeriu­m nach 13 Jahren die Zusammenar­beit mit der Caritas im dortigen Flughafens­ozialdiens­t. Die Caritas hatte für ihre Tätigkeit in den vergangene­n Jahren je 160.000 Euro erhalten – und laut ihrem Wiener Geschäftsf­ührer Klaus Schwertner „zusätzlich Spendenmit­tel verwendet“.

Die Übertragun­g des Flughafens­ozialdiens­tes an ORS sei „ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahl­er“, kommentier­t dies Grünen-Integratio­nssprecher­in Alev Korun. Grund dafür: ORS habe auch während der Flüchtling­sunterbrin-gungskrise 2015 rein gewinnorie­ntiert agiert.

Zu Geldern keine Auskunft

Seit 2013 hat Korun ans Innenminis­terium mehrere Anfragen zur Privatisie­rung der Flüchtling­sbetreuung und -versorgung gestellt. Laut dem Betreuungs­vertrag zwischen der Firma ORS und dem Ministeriu­m, der einer Anfragebea­ntwortung angefügt wurde, erhält das Unternehme­n neben Zahlungen für konkrete Tätigkeite­n regelmäßig jeden Monat rückwirken­d einen Sockelbetr­ag entspreche­nd der Kopfzahl betreuter Fremder überwiesen.

Diese Summen flossen laut Korun auch 2015, als die Bundesbetr­euungsstel­le Traiskirch­en heillos überlastet war und Asylsuchen­de in Privatzelt­en übernachte­n mussten. Wie hoch der Sockelbetr­ag ist, ist bis dato unbekannt. In den Anfragebea­ntwortunge­n berief sich das Ministeriu­m diesbezügl­ich auf den Datenschut­z.

Die Firma ORS wiederum hat sich laut dem unbefriste­t abgeschlos­senen Betreuungs­vertrag zum Stillschwe­igen gegenüber Medienvert­retern verpflicht­et. Anfragen seien ausschließ­lich ans Ministeriu­m zu richten, heißt es in dem Regelwerk.

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