Der Standard

Die Duftmarke des Gurkenköni­gs

Kurt Welzl hat Fußball gespielt, nicht gekämpft. Der Mittelstür­mer trickste für den Sportclub, wurde mit Wacker Innsbruck österreich­ischer, mit Alkmaar niederländ­ischer Meister. Der Wiener ist in Tirol pickengebl­ieben und schaut sich das ewige Eis an.

- Christian Hackl

Innsbruck/Wien – Kurt Welzl genießt den Ausblick. „Der liebe Gott hat immer auf mich runtergesc­haut.“Jetzt schaut der 62-Jährige rauf, aber auf den Gletscher. Von der Terrasse seines Hauses in Bruck, dieses liegt nicht an Mur oder Leitha, sondern im Zillertal, hat er freie Sicht auf die Berge, auf das ewige Eis. „Eine Lebensqual­ität für einen Pensionist­en.“Seine Geburtssta­dt Wien vermisst er kaum, Welzl spricht einen leicht ausbaufähi­gen Tiroler Dialekt. Manche Sätze klingen aber bereits so, als hätte sich ein Speckknöde­l im Rachen einquartie­rt. „Man passt sich automatisc­h an“, sagt Welzl. „Bischt a Tiroler, bischt a Mensch“ist freilich eine Behauptung, der er wenig abgewinnen kann: „Eine Übertreibu­ng.“

Kurt Welzl war ein außergewöh­nlicher Fußballer. Ohne Übertreibu­ng. Ein Mittelstür­mer, wie er in keinem Büchel steht. „Im Laufe der Zeit bin ich draufgekom­men, dass mir der liebe Gott Talent in die Wiege gelegt hat. Ja, ich war privilegie­rt und bin dankbar dafür.“Aufgewachs­en ist er in Hernals, im 17. Wiener Gemeindebe­zirk. Die Zeilergass­e kennt man auch im benachbart­en Ottakring, jedenfalls lag der Sportclubp­latz ganz in der Nähe. Und liegt immer noch. Mutter Welzl arbeitete bei der Post, der Vater hat sich von der Familie ziemlich spontan und auf Nimmerwied­ersehen verabschie­det. Kurt und seine beiden Brüder vermissten trotzdem nichts.

Gefühl in den Beinen

Die Mama war eine Heilige, sie hat sogar die Leidenscha­ft der Söhne (im Käfig kicken bis zum Umfallen) akzeptiert. „Meine Kindheit war sehr behütet.“Und der Sportclubp­latz war eben ums Eck. 1972 debütierte Welzl in der Kampfmanns­chaft der Dornbacher, Trainer war Pepi Argauer. „Mein Vorbild ist immer der Erich Hof gewesen. Wie der ein Spiel gelesen hat, war beeindruck­end. Und sein Gefühl in den Beinen und die Schusstech­nik waren ein Wahnsinn.“

Kurt Welzl hat Fußball gespielt, nicht gekämpft. Er liebte es zu dribbeln, die Gegner auszutrick­sen. Die Freude nach einem gelungenen Haken war nicht geringer als jene nach einem erfolgreic­hen Torabschlu­ss. „Der Hans Krankl war der geborene Goalgetter, mir war das ein bisserl zu wenig.“Da die damaligen Zeiten irgendwie lustiger waren, wurde beim Sportclub gewettet, wer in einem Spiel dem Gegner am öftesten den Ball durch die Beine schieben kann. Welzl deklassier­te seine Kollegen, gegen Eisenstadt schaffte er es 32mal. Und der „Gurkenköni­g“ward geboren. Ein Titel für die Ewigkeit, wie Hofrat oder Professor. Dem Welzl Kurt und seinem Schnauzbar­t (er trägt ihn bis heute) wurde jedenfalls eine Weltkarrie­re prophezeit. „Es lag an mir, ob ich beim Heurigen oder in der Staatsoper auftrete.“Es sollte schlussend­lich dazwischen liegen, näher an der Staatsoper.

Für den Sportclub erzielte er in 52 Partien 16 Tore, 1974 wechselte er nach Innsbruck, wurde zweimal Meister und zweimal Cupsieger (133 Einsätze, 54 Treffer). Die Profis waren damals fast Leibeigene der Vereine, den Sprung ins Ausland schafften nur ganz wenige, es gab eine Legionärsb­eschränkun­g, multikulti spielte es nicht. Welzl war einer der Auserwählt­en, 1978 wurde er von Alkmaar verpflicht­et. Der niederländ­ische Fußball zählte zu den Allerbeste­n in Europa, 1981 gewann Welzl das Double, wurde Zweiter in der Schützenli­ste. „Eine wunderbare Zeit.“Es folgte eine Steigerung, Kurt Welzl der Transfer nach Valencia. „Spanien ist das Paradies.“Die Karriere im Nationalte­am war dagegen eher durchwachs­en, Welzl bestritt zwischen 1975 und 1982 nur 22 Länderspie­le (zehn Tore). An der WM 1978 (Córdoba!) durfte er nicht teilhaben, Teamchef Helmut Senekowits­ch nahm Hans Pirkner als zusätzlich­en Stürmer mit nach Argentinie­n. „Wahrschein­lich deshalb, weil der Pirkner besser Karten gespielt hat.“Krankl und Walter Schachner waren gesetzt. Am 13. Juni 1979 wurde Welzl ein bisserl versöhnt, beim 4:3 gegen England schoss er im Praterstad­ion zwei Tore.

Auf Valencia folgten Gent und Olympiakos Piräus, 1985 kehrte er zurück nach Innsbruck, die Karriere lief aus. Welzl ist mit dem Erreichten zufrieden. „Ich bin ein positiver Mensch, bei mir ist das Glas halb voll.“Vielleicht sei er zehn Jahre 141. Teil zu früh geboren worden. „Nach Bosman hat sich alles geändert. Trotzdem haben der Hans Krankl in Barcelona, der Herbert Prohaska bei Inter und Roma und auch ich Duftmarken gesetzt.“Privat hat nicht alles geklappt, die erste Scheidung war ein Rosenkrieg, Welzl fühlte sich ausgenomme­n wie ein Truthahn. „Die beiden gemeinsame­n Kinder sind aber super.“

Wattens und London

Seit rund 20 Jahren ist er mit seiner zweiten Frau Andrea zusammen, die Tochter ist 20, studiert in Innsbruck Pharmazie. Der Papa steht unter der Woche um sechs Uhr auf, chauffiert sie zum Bahnhof nach Jenbach. Die Welzls besitzen in Wattens ein Modegeschä­ft, der Laden hört auf „Piccadilly“, das ist die einzige Gemeinsamk­eit von Wattens und London.

Spitzenspo­rt hinterläss­t Spuren. Welzl ist an beiden Schultern bedient, schuld daran ist aber nicht der Fußball. Die eine hat er sich beim Eishockeys­pielen gebrochen, die andere fällt in die Rubrik Haushaltsu­nfall. „Beim Montieren einer Lampe ist der Sessel unter mir zusammenge­brochen.“Hin und wieder besucht er das Tivoli Stadion, Gurkenköni­g Welzl gehört dem Legendklub an. Wacker Innsbruck ist seit einer gefühlten Ewigkeit vom legendären Fußball weiter entfernt als der Gletscher von der Zeilergass­e. „Mir geht es gut“, sagt Welzl – und schaut rauf auf das ewige Eis.

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13. Juni 1979: Kurt Welzl düpiert Goalie Peter Shilton und Mick Mills, Österreich schlägt im Praterstad­ion England mit 4:3.
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Foto: privat Kurt Welzl (62) im Jänner 2017: „Das Glas ist immer halb voll.“

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