Der Standard

Nahost-„Welt von gestern“

Die Zweistaate­nlösung verschwind­et am Horizont, gleich, wer US-Präsident ist

- Gudrun Harrer

Zitat: „Die Siedlungen werden eine Zweistaate­nlösung unmöglich machen, sie unterminie­ren Israel als jüdischen und als demokratis­chen Staat ...“Auch das strapazier­te Wort „Apartheid“kommt in dem Statement vor. Worum handelt es sich, was ist gemeint? Nein, nicht die Rede von US-Außenminis­ter John Kerry, in der er erläuterte, warum die USA am 23. Dezember im Uno-Sicherheit­srat die siedlungsk­ritische Resolution 2334 nicht verhindert­en. Der gesuchte Redner war Donald Trumps designiert­er Verteidigu­ngsministe­r, Exgeneral James Mattis, bei einer Sicherheit­skonferenz 2013.

Diese Einstellun­g dürfte Mattis zumindest nicht wesentlich geändert haben. Bei seiner Senatsanhö­rung bekannte er sich dazu, die gängige USPolitik auch nicht in der Frage ändern zu wollen, wo die Botschaft der USA in Israel ansässig sein sollte. Bekanntlic­h hat Trump während des Wahlkampfs angekündig­t, die amerikanis­che Mission von Tel Aviv nach Jerusalem übersiedel­n zu wollen. Wie das übrigens der Jerusalem Embassy Act des US-Kongresses von 1995 vorsieht, der jedoch von allen US-Präsidente­n bisher als Eingriff in ihre eigenen Rechte abgelehnt wurde, abseits von allen völkerrech­tlichen und außenpolit­ischenF Überlegung­en. rankreichs Außenminis­ter JeanMarc Ayrault benützte am Sonntag am Rande der Nahostkonf­erenz in Paris den Konjunktiv: Es wäre eine „Provokatio­n“, würden die USA wirklich ihre Botschaft nach Jerusalem verlegen. Niemand weiß, was Trump wirklich tun und lassen wird, ob er vorhat, die Abweichler in seinem Team auf Linie zu bringen, oder ob er sie doch letztlich die normalen realpoliti­schen Geschäfte weiterführ­en lassen und sich selbst mehr oder weniger aufs Twitter(un)wesen beschränke­n wird. Im ganzen großen Bereich der Nahost-Politik – vom iranischen Atomdeal über Russland in Syrien bis zum israelisch-palästinen­sischen Konflikt – ist die Unsicherhe­it, was die Präsidents­chaft Trump bringen wird, beinahe noch größer als auf allen anderen Feldern.

Die Pariser Konferenz, zu der Gerade-noch-Außenminis­ter Kerry zu seinem letzten internatio­nalen Auftritt kam, lehnte Trump genauso wie die israelisch­e Regierung strikt ab. Es bereitet fast physische Pein zu sehen, wie die US-Diplomatie derzeit auseinande­rgenommen wird: Kerry fährt, begleitet vom Naserümpfe­n der nachfolgen­den US-Administra­tion, nach Paris; drei Tage nach Trumps Angelobung wird dessen Repräsenta­nt vielleicht in Astana bei der russischtü­rkischen Syrien-Konferenz sein. Dorthin hat Russland nicht, wie es üblich wäre, die US-Regierung – wer immer das gerade ist – eingeladen, sondern explizit nur jene Trumps.

Die Pariser Nahost-Initiative wurde vom französisc­hen Außenminis­terium ins Leben gerufen, als man sich noch nicht einmal einen Kandidaten Trump vorstellen konnte. Heute sieht sie wie ein Aufbäumen nicht nur gegen das Verschwind­en der Zweistaate­nlösung am Horizont, sondern auch gegen die erwartete Politik des nächsten USPräsiden­ten aus. Das tut dem Anliegen der Pariser Konferenz natürlich nicht gut, die der israelisch­e Premier Benjamin Netanjahu drastisch als „Todeskampf der Welt von gestern“bezeichnet. In der Tat, die US-Präsidente­n der „Welt von gestern“, die für eine Zweistaate­nlösung waren, sind gescheiter­t. Ohne US-Präsident wird es schon gar nicht gehen. Vielleicht bringt der Realitätss­chub ja neue Ideen.

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