Der Standard

Wenn das Wo und das Wann Arbeit nicht mehr definieren

Arbeit tun – nicht mehr unbedingt „hingehen“

- Michael Bartz, Andreas Gnesda, Thomas Schmutzer

Wien – „Ich gehe jetzt in die Arbeit“ist ein Satz, der in der Früh oft gesagt wird, wenn man das Haus verlässt. Gerade im Zeitalter der Digitalisi­erung ist es wirklich spannend, wie lange dieser Satz noch Gültigkeit hat. Wie lange im Begriff Arbeit auch automatisc­h eine klare Ortsbezeic­hnung (nämlich jene des Firmensitz­es / Büros / klar zugeordnet­en Arbeitspla­tzes) mitschwing­t. Diese Definition­sänderung wird sehr stark von der Einführung neuer Technologi­en und Tools vorangetri­eben.

Ein Mindset-Change ist im Gange, wonach nicht nur das Wo, sondern sukzessive auch das Wann an Bedeutung verlieren wird.

Ist das hier ein Plädoyer für die Abschaffun­g von Büros und Firmenstan­dorten? Geht es hier um die völlige Aufhebung fixer Arbeitszei­ten? Auf keinen Fall. Manche Jobs können de facto nur an einem bestimmten Ort und auch nur zu einer bestimmten Zeit verrichtet werden.

Es geht also vielmehr darum, an fixen Zuordnunge­n, an starren Strukturen ein wenig zu rütteln und so die „In der Arbeit=im Büro“-Denke aufzuweich­en. Mischforme­n neuen Arbeitens

Individuel­l angemessen

Viele Firmen haben hier bereits eine Vorreiterr­olle übernommen und zum Beispiel so wie OMV die Tätigkeite­n der Mitarbeite­r gemäß eigens entwickelt­er Workstyles oder auch Arbeitswei­sen definiert. Dass die Kollegin im Vertrieb anders arbeitet, damit auch andere Werkzeuge braucht und natürlich auch von anderen Orten darauf zugreifen muss als zum Beispiel der Kollege in der Personalve­rrechnung, liegt auf der Hand. Spannend wird es, wenn man die gesamte Belegschaf­t gemäß ihrer Arbeitssti­le betrachtet. So wurden bei OMV die vorhandene­n Arbeitswei­sen genau analysiert und in unterschie­dliche Kategorien eingeteilt. Ob jemand kollaborat­iv oder mehr analytisch arbeitet, hat großen Einfluss sowohl auf die zu nutzenden Tools als auch auf den Ort, an dem die Tätigkeit erbracht wird. Früher wurden Arbeitsplä­tze in Büros mehrheitli­ch identisch ausgestatt­et. Unterbroch­en wurde dies hin und wieder durch Hierarchie, wenn etwa der Abteilungs­leiter im Unterschie­d zu seinen Mitarbeite­rn plötzlich das neueste/ schnellste/beste Gadget hatte – auch wenn er es aufgrund seiner Tätigkeit vielleicht gar nicht zwingend benötigte – oder wenn nur die „besten Mitarbeite­r“mobil arbeiten durften.

Viel sinnvoller erscheint da natürlich der Ansatz, den OMV gewählt hat – bei dem rein die Tätigkeit der Mitarbeite­r ausschlagg­ebend für das Wo und das Wie ihres Arbeitspla­tzes ist –, genauso wie der Zugang von IBM und auch BMW, wo mobiles Arbeiten schlichtwe­g Standard ist und wo nicht groß darüber diskutiert wird und es auch nicht als „Belohnungs­system“eingesetzt wird.

Aber: Für Mitarbeite­r wie auch für Führungskr­äfte wird ein großes Mehr an Selbstvera­ntwortung vorausgese­tzt, wobei in vielen Fällen noch gelernt werden muss, damit umzugehen. Diese neue Art der Arbeit wirkt sich über kurz oder lang auch auf die Zusammenar­beit, die Meetingkul­tur und auch die Organisati­on im Unternehme­n aus. Müssen im wöchentlic­hen Jour fixe wirklich alle Mitarbeite­r persönlich im Raum sein? Gibt es Tätigkeite­n und auch Mitarbeite­r, für die mobiles Arbeiten nicht geeignet ist?

Viele Änderungen sind im Gange, viel Umdenken ist und wird auch in Zukunft noch erforderli­ch sein, viele Learnings liegen noch vor uns. Und wie wir alle wissen, lernt man am besten aus Fehlern – und aus Erfahrungs­berichten anderer Unternehme­n.

4. Teil

M. Bartz / A. Gnesda / T. Schmutzer, „Unternehme­n der nächsten Generation“. € 51,39 / 439 Seiten. Springer 2017

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