Wenn das Wo und das Wann Arbeit nicht mehr definieren
Arbeit tun – nicht mehr unbedingt „hingehen“
Wien – „Ich gehe jetzt in die Arbeit“ist ein Satz, der in der Früh oft gesagt wird, wenn man das Haus verlässt. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist es wirklich spannend, wie lange dieser Satz noch Gültigkeit hat. Wie lange im Begriff Arbeit auch automatisch eine klare Ortsbezeichnung (nämlich jene des Firmensitzes / Büros / klar zugeordneten Arbeitsplatzes) mitschwingt. Diese Definitionsänderung wird sehr stark von der Einführung neuer Technologien und Tools vorangetrieben.
Ein Mindset-Change ist im Gange, wonach nicht nur das Wo, sondern sukzessive auch das Wann an Bedeutung verlieren wird.
Ist das hier ein Plädoyer für die Abschaffung von Büros und Firmenstandorten? Geht es hier um die völlige Aufhebung fixer Arbeitszeiten? Auf keinen Fall. Manche Jobs können de facto nur an einem bestimmten Ort und auch nur zu einer bestimmten Zeit verrichtet werden.
Es geht also vielmehr darum, an fixen Zuordnungen, an starren Strukturen ein wenig zu rütteln und so die „In der Arbeit=im Büro“-Denke aufzuweichen. Mischformen neuen Arbeitens
Individuell angemessen
Viele Firmen haben hier bereits eine Vorreiterrolle übernommen und zum Beispiel so wie OMV die Tätigkeiten der Mitarbeiter gemäß eigens entwickelter Workstyles oder auch Arbeitsweisen definiert. Dass die Kollegin im Vertrieb anders arbeitet, damit auch andere Werkzeuge braucht und natürlich auch von anderen Orten darauf zugreifen muss als zum Beispiel der Kollege in der Personalverrechnung, liegt auf der Hand. Spannend wird es, wenn man die gesamte Belegschaft gemäß ihrer Arbeitsstile betrachtet. So wurden bei OMV die vorhandenen Arbeitsweisen genau analysiert und in unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Ob jemand kollaborativ oder mehr analytisch arbeitet, hat großen Einfluss sowohl auf die zu nutzenden Tools als auch auf den Ort, an dem die Tätigkeit erbracht wird. Früher wurden Arbeitsplätze in Büros mehrheitlich identisch ausgestattet. Unterbrochen wurde dies hin und wieder durch Hierarchie, wenn etwa der Abteilungsleiter im Unterschied zu seinen Mitarbeitern plötzlich das neueste/ schnellste/beste Gadget hatte – auch wenn er es aufgrund seiner Tätigkeit vielleicht gar nicht zwingend benötigte – oder wenn nur die „besten Mitarbeiter“mobil arbeiten durften.
Viel sinnvoller erscheint da natürlich der Ansatz, den OMV gewählt hat – bei dem rein die Tätigkeit der Mitarbeiter ausschlaggebend für das Wo und das Wie ihres Arbeitsplatzes ist –, genauso wie der Zugang von IBM und auch BMW, wo mobiles Arbeiten schlichtweg Standard ist und wo nicht groß darüber diskutiert wird und es auch nicht als „Belohnungssystem“eingesetzt wird.
Aber: Für Mitarbeiter wie auch für Führungskräfte wird ein großes Mehr an Selbstverantwortung vorausgesetzt, wobei in vielen Fällen noch gelernt werden muss, damit umzugehen. Diese neue Art der Arbeit wirkt sich über kurz oder lang auch auf die Zusammenarbeit, die Meetingkultur und auch die Organisation im Unternehmen aus. Müssen im wöchentlichen Jour fixe wirklich alle Mitarbeiter persönlich im Raum sein? Gibt es Tätigkeiten und auch Mitarbeiter, für die mobiles Arbeiten nicht geeignet ist?
Viele Änderungen sind im Gange, viel Umdenken ist und wird auch in Zukunft noch erforderlich sein, viele Learnings liegen noch vor uns. Und wie wir alle wissen, lernt man am besten aus Fehlern – und aus Erfahrungsberichten anderer Unternehmen.
4. Teil
M. Bartz / A. Gnesda / T. Schmutzer, „Unternehmen der nächsten Generation“. € 51,39 / 439 Seiten. Springer 2017