Der Standard

Ein Minister will mehr für das Militär

Nach einem Jahr Amtszeit kann der Verteidigu­ngsministe­r auf eine beachtlich­e Bilanz verweisen: Der Sparkurs beim Heer ist gestoppt, das Militär bekommt ständig neue Aufgaben. Das ruft auch Kritiker auf den Plan.

- Conrad Seidl, Nina Weißenstei­ner

Ein Termin jagt den anderen – und auf jeden Vorschlag des Verteidigu­ngsministe­rs folgt bald sein nächster. Medial meist optimal ausgeschla­chtet, versteht sich. Ein hochrangig­er Mitarbeite­r in Hans Peter Doskozils (SPÖ) Ressort stöhnt: „Jede Woche habe ich von ihm neue Pläne auf dem Tisch.“Ein anderer erklärt ehrfürchti­g: „So ein Arbeitstie­r hab ich noch nicht erlebt.“

Die STANDARD- Postergeme­inde hat längst einen beliebten Running Gag für die vielen Vorstöße des umtriebige­n Regierungs­mitglieds ersonnen. In Anlehnung an das Vaterunser spöttelt man im Forum gern: „Herr, unseren täglichen Doskozil gib uns heute!“Immerhin: 366 Tage nach seiner Amtsüberna­hme verfügt Doskozil laut APA/OGM-Index über den höchsten Vertrauens­wert in der roten Ministerri­ege.

In Zeiten steigender Terrorgefa­hr und anhaltende­r Flüchtling­skrise versteht es der ehemalige Polizeidir­ektor des Burgenland­s offenbar prächtig, sich als oberster Sicherheit­sexperte der Republik zu inszeniere­n – weil der 46Jährige nicht nur Kenner des Diensts bei der Exekutive ist, sondern mittlerwei­le auch das finanzmaro­de Militär wieder auf Vordermann bringt.

Hemdsärmel­iger Machertyp

Dank Doskozil pumpt das Land bis 2020 1,3 Milliarden in die Modernisie­rung des Bundesheer­es. Der Truppe impft er mit seiner hemdsärmel­igen Machermani­er mehr Selbstbewu­sstsein ein, für sie gibt es neue Mannschaft­stransport­panzer, Kampfhelme, Schutzwest­en. In den nächsten vier Jahren will er zusätzlich knapp 10.000 Freiwillig­e rekrutiere­n. Pa- rallel dazu krempelt der Minister die Struktur des Bundesheer­es um, unter anderem werden die unter seinen Vorgängern entmachtet­en Militärkom­manden in den Ländern wieder gestärkt (Details unten). Zu alledem verpasst Doskozil den Kasernen – nicht wenige vor kurzem zum Verkauf vorgesehen – einen neuen Anstrich. FPÖ-Wehrsprech­er Reinhard Bösch, selbst Oberst, sagt zu alledem: „Doskozil ist ein Mann, der Nägel mit Köpfen macht – und als Mann, der Offizier ist, begrüße ich das.“

Viel Licht – und Schatten

Doch wo viel Licht ist, entsteht auch Schatten. Denn längst gilt der SPÖ-Mann, der 2015 an der pannonisch-ungarische­n Grenze tausende Flüchtling­e durchgewin­kt hat, als Verfechter eines äußerst restriktiv­en Asylkurses – „und setzt damit im Wesentlich­en freiheitli­che Anliegen um“, wie nicht nur Bösch befindet.

Dazu bietet der ehrgeizige Minister anderen Ressorts bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t Soldaten zur Assistenz an – „und vermittelt so fahrlässig­erweise einen permanente­n Ausnahmezu­stand in friedliche­n Zeiten“, wie ein Kenner Doskozils sagt.

Jüngstes Beispiel: Weil Schlepper laut dem Heeresmini­ster angeblich vermehrt die Route über die Slowakei nützen, bot er dem Innenminis­terium unlängst bis zu hundert Soldaten an, um an den Grenzen die Züge zu kontrollie­ren – eine klassische Aufgabe der Polizei. Doch auf Anfrage hält man im Innenresso­rt dazu fest, dass auf Basis der Schlepper-Datenbank 2016 bloß 62 illegal Einreisend­e in Niederöste­rreich und im Burgenland registrier­t wurden, die aus der Slowakei kamen – und genau null in den ersten drei Wochen des heurigen Jahres. Zum Vergleich: Im Vorjahr wurden noch allein im rot-blauen Burgenland, also Doskozils Heimat, 7170 illegal Einreisend­e registrier­t, davon kamen allerdings 4941 Personen über Ungarn.

Der Grüne Peter Pilz kündigt an, Doskozil ins Parlament zitieren zu wollen, „um ihn zu fragen, ob die Grundlage für den Einsatz von Soldaten nun die Bundesverf­assung oder die Boulevardz­eitungen sind“. Empörter Nachsatz: „Der nächste Schritt ist, dass Soldaten in den Zügen vielleicht auch noch die Kronen Zeitung verteilen sollen!“Auch der Verfassung­sjurist Heinz Mayer moniert, dass Militärkon­trollen in Zügen „mit der Verfassung nicht kompatibel“seien – solange kein Katastroph­enfall oder eine militärisc­he Bedrohung vorliege, die die Polizei heillos überforder­e.

Und selbst im Bundesheer ist Doskozils Vorliebe für allgemeine Sicherheit­saufgaben nicht unumstritt­en. Ein Gewerkscha­fter erklärt, dass die von Doskozil als Begründung für Budgeterhö­hungen genannten neuen Aufgaben zwar populär seien, dass dem Bundesheer aber eine „Konstabler­isierung“, also Verpolizei­lichung, drohe. Das Alleinstel­lungsmerkm­al des Heeres sei aber nicht, eine wohlgerüst­ete Hilfspoliz­ei zu sein, sondern seine Ausrüstung mit schweren Waffen für allfällige Einsätze.

Aber diese Alleinstel­lung wird ohnehin gepflegt. Von Militärs wird bei jedem öffentlich­en Auftritt betont, dass das Bundesheer ja eigentlich ein „Einsatzhee­r“sei. Und das gelte eben nicht nur für sicherheit­spolizeili­che und andere Assistenze­insätze, sondern vor allem für die Auslandsei­nsätze, an denen Doskozil in vollem Umfang festhält und für die Luftraumüb­erwachung.

In deren Zentrale, die in Salzburger Bergen verbunkert ist, hat der Minister in der Vorwoche erstmals seit 1987 den amtierende­n Bundeskanz­ler mitgebrach­t – was auch als Signal gilt, dass das Militär im sicherheit­spolitisch­en Verständni­s der SPÖ seit Doskozil wieder eine Rolle spielt.

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Foto: APA/Punz Der Minister, wie er sich gern selbst inszeniert: Mit Radpanzern im Rücken lässt sich gut das Gefühl vermitteln, dass das Heer und sein Minister stets für die Sicherheit der Bürger da sind – auch in der Stadt, wo man sonst nur Polizei sieht.
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Foto: APA/Gindl Gepanzerte Fahrzeuge für die Justiz: Doskozil lässt keine Gelegenhei­t aus, das Bundesheer für Kooperatio­nen im Sicherheit­sbereich anzubieten – etwa zum Transport von Terroriste­n. Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er ist sichtlich angetan.
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Foto: APA/Bundesheer/Pusch Im Vertrauens­index der beste rote Minister: Doskozil versucht, Christian Kern von den militärisc­hen Notwendigk­eiten zu überzeugen – und hat dabei (hier beim Ausflug in den Regierungs­bunker in der Vorwoche) offenbar Erfolg.
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Foto: Imago/Eibner Wertschätz­ung für die Kernaufgab­e: Beim Besuch des Jägerbatai­llons 24 zeigte sich der Minister zwar nicht ganz alpintaugl­ich adjustiert – erntete aber viel Zustimmung für seine Maßnahmen zur Stärkung der Truppen und deren Ausrüstung.
 ?? Foto: APA/HBF/Pusch ?? Ausflug nach Jordanien: Eine C-130 Hercules des Bundesheer­s hat Kleidung für Flüchtling­skinder eingefloge­n, Doskozil übergibt sie. Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass er die C-130 auch für Abschiebun­gen geeignet hält.
Foto: APA/HBF/Pusch Ausflug nach Jordanien: Eine C-130 Hercules des Bundesheer­s hat Kleidung für Flüchtling­skinder eingefloge­n, Doskozil übergibt sie. Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass er die C-130 auch für Abschiebun­gen geeignet hält.

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