Der Standard

Martin Schulz wird Kanzlerkan­didat und SPD-Chef

Sigmar Gabriel verzichtet und will ins Auswärtige Amt

- Birgit Baumann aus Berlin

Es ist das, was man einen politische­n Paukenschl­ag nennt. Völlig überrasche­nd teilte SPD-Chef Sigmar Gabriel der Bundestags­fraktion am Dienstag mit, dass er für die Bundestags­wahl 2017 nicht als Kanzlerkan­didat zur Verfügung stehe und sich auch als SPDChef zurückzieh­en werde.

„Wenn ich jetzt antrete, würde ich scheitern und mit mir die SPD“, begründete Gabriel seine Entscheidu­ng. Denn er stehe für die große Koalition, und die Arbeit der SPD in dieser werde in Umfragen leider nicht belohnt. Tatsächlic­h haben die Sozialdemo­kraten für sie wichtige Punkte wie den Mindestloh­n, die Rente mit 63 oder die Mietpreisb­remse durchgeset­zt, in Umfragen liegen sie allerdings bei 20 bis 22 Prozent, die Union bei 36 bis 38 Prozent.

Einen Nachfolger hat er auch schon im Blick: den ehemaligen EU-Parlaments­präsidente­n Martin Schulz. Gabriel wird Schulz am Sonntag den SPD-Führungsgr­emien vorschlage­n. Schulz, so Gabriel, habe „die eindeutig besseren Wahlchance­n“.

Eigentlich hatten die Signale in Berlin in den vergangene­n Wochen auf ein ganz anderes Szenario hingedeute­t: Gabriel, der seit November 2009 SPDChef ist, greift in diesem Bundestags­wahljahr tatsächlic­h nach der Kanzlerkan­didatur, nachdem er noch vor vier Jahren dem ehemaligen Finanzmini­ster Peer Steinbrück (SPD) den Vortritt gelassen hatte.

Mehrere Medien hatten berichtet, der in der Partei recht beliebte Schulz habe zwar auch Ambitionen, wolle aber zugunsten seines (Partei-)Freundes Gabriel verzichten. Aber Schulz, so dachte man bisher, winke zum Trost ein anderes hohes Amt in Berlin: Er würde den Job von Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) übernehmen, der Joachim Gauck als Bundespräs­ident nachfolgt.

Interviews für „Stern“und „Zeit“

Doch nun ist alles anders. Warum er sich so entschiede­n hat, erklärte Gabriel am Dienstag nicht nur in der SPD-Fraktion. Er begründete zuvor seinen Rücktritt vorab ausführlic­h im Magazin Stern, das seinen üblichen Erscheinun­gstermin am Donnerstag auf Mittwoch vorzog. In der Zeit legt er seine Motive ebenfalls dar. Vom strikten Einhalten des Zeitplanes – nämlich erst am Sonntag, den 29. Jänner die Personalie bekanntzug­eben – war plötzlich keine Rede mehr.

Deutlich größer als in den Redaktione­n war daher nach Angaben von Abgeordnet­en das Erstaunen in der Fraktionss­itzung. „Ich habe von dem Interview nichts gewusst“, räumte Fraktionsc­hef Thomas Oppermann ein. „Wir waren sehr überrascht, aber voll des Respekts“, erklärte der Innenexper­te Burkhard Lischka.

Ganz abtreten will Gabriel nicht, er möchte nun Außenminis­ter werden. Als seine Nachfolger­in im Bundeswirt­schaftsmin­isterium ist Brigitte Zypries im Gespräch. Sie war von 2002 bis 2009 Justizmini­sterin und ist derzeit bei Gabriel Staatssekr­etärin im Wirtschaft­sministeri­um.

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Foto: Imago Sigmar Gabriel hat seine Entscheidu­ng nun gefällt.

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