Eine Pfarre zwischen den Kriegsfronten
Im Süden des Südsudan bringt eine Ordensschwester den Einheimischen Landwirtschaft bei. Nun dringt der Bürgerkrieg auch in diese friedliche Oase vor. Sowohl Regierung als auch Rebellen setzen dort Gewalt gegen die Bevölkerung ein, Tausende flüchten in die
Rimenze/Wien – Bislang hat die Pfarre Rimenze allen Widrigkeiten getrotzt. Dem Unabhängigkeitskrieg. Dem Bürgerkrieg. Der Lord’s Resistance Army Joseph Konys, die im Grenzgebiet zwischen dem Kongo und dem Südsudan immer wieder ihr Unwesen treibt. Nun hat es sie aber doch erwischt. Die Mission ist mitten in den Konflikt zwischen Regierung und Rebellen hineingeraten.
Ordensschwester Rosa Le Thi Bong hat in Rimenze das Sagen. Die 47-jährige Vietnamesin nahm dort 2008 ihre Arbeit auf. Sie, hinter deren Brille sich aufgeweckte Augen verstecken, hat sich in ihrer Heimat viel Wissen über Landwirtschaft angeeignet – das sie im Südwesten des Südsudan nutzt, um die einheimischen Kleinbauern zu besseren Ernteerträgen zu führen und so etwas gegen die stetige Nahrungsknappheit im Dauerkrisenland zu tun.
Die Farm, die im Rahmen eines von Caritas Österreich und der Austrian Development Agency (ADA) unterstützten Projekts entstand, liefert Süßkartoffeln, Sojabohnen, Erdnüsse und Hirse für die Studenten einer Lehrerschule im nahe gelegenen Yambio. Derzeit wird das alles für die Menschen benötigt, die auf das Gelände der Pfarre geflüchtet sind.
Der im Dezember 2013 entfachte Bürgerkrieg ist ein Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Vize Riek Machar. Nachdem die Bildung einer Übergangsregierung gescheitert war, kam es im Juli 2016 zur erneuten Eskalation. Zwar wurden die Kämpfe in der Hauptstadt Juba beendet, doch im Rest des Landes kommt es immer wieder zu Eruptionen der Gewalt. So auch rund um Neujahr, nahe Rimenze. „Das Militär ist gekommen und hat alle Häuser entlang der Hauptstraße angezündet“, sagt Rosa Le Thi Bong zum STANDARD. Junge Männer wurden gefoltert und getötet, Marktplätze geplündert, sodass Frauen, Kinder, ältere Männer sich rund um die Kirche in Rimenze scharten – nur dort fühlen sie sich halbwegs sicher. „Mehr als 4000 Menschen sind es mittlerweile“, so Le Thi Bong.
„Guerillakrieg“der Jugend
Dass die Regierung so agiert, hat mit den Rebellen zu tun, also mit den Männern Riek Machars. Sie unterstützen im Süden des Landes eine sich formierende und aufbegehrende Jugend. „Der Süden verfügt über viele Ressourcen, und Präsident Salva Kiir will ihrer habhaft werden. Aber die südli- chen Bundesstaaten haben schon immer unabhängiger agiert“, sagt Matthias Fettback zum STANDARD. Deshalb, so der seit 1984 in Afrika tätige Deutsche, führt die Jugend mithilfe der Rebellen einen „Guerillakrieg“.
„Sie schlagen schnell zu und sind genauso schnell wieder weg. Deshalb erwischen die Regierungstruppen sie nicht“, so Fettback. Aus diesem Grund üben sie dann Vergeltung an der Zivilbevölkerung. Nach Neujahr ist das Militär weitere Male zurückgekommen. Die Attacken verteidigt es damit, dass Teile der Bevölkerung mit den Rebellen kooperieren würden. Momentan sei es wieder ruhig, „doch es gibt vor Ort Gerüchte, dass sie bald wieder zurückkommen“, so Fettback.
Gleichzeitig stellen aber auch die Rebellen selbst eine Gefahr dar. „Seit Oktober werden Arbeiter unserer Farm immer wieder von ihnen zwangsrekrutiert“, sagt Le Thi Bong. Außerdem würden sie Lebensmittel erpressen, denn die Farm liege auf einer von den Rebellen stark frequentierten Route durch den Dschungel. Zumindest aber bleiben Missionsstation und Farm selbst unberührt. „Regierung und Rebellen haben vereinbart, Hilfsprogramme wie diese nicht zu schädigen“, sagt Fettback, im Südsudan als Berater der Caritas Österreich tätig.
Für die mehr als 4000 Vertriebenen gibt es dank der Farm noch genügend zu essen, sagt Rosa Le Thi Bong. Die noch verbliebenen Farmarbeiter kümmern sich um Notunterkünfte, doch es sind einfach zu viele Menschen. „Wir haben welche für 200 Familien gebaut, doch es sind bislang 800 zu uns gekommen“, sagt die Vietnamesin. Außerdem müssen sich die Ordensschwestern um die Krankheiten kümmern, die vor allem bei den rund 1000 Kindern auftreten. Dass die Menschen bald wieder nach Hause zurückkehren, hält Rosa Le Thi Bong für unwahrscheinlich: „Die Angst vor beiden Seiten ist zu groß. Selbst wenn die Regierung sagt, sie dürfen heim, würden sie ihr nicht glauben.“