Der Standard

Antiterror­einsatz ist Feuerprobe für Staatsschu­tzgesetz

U-Haft über 17-jährigen Verdächtig­en verhängt – „Vorwürfe sind völlig überzogen“, sagt sein Verteidige­r

- Michael Simoner

Wien – Zurückhalt­ung gehört nicht zu den Tugenden von Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP). Während im Fall des 17-jährigen Terrorverd­ächtigen die für die Ermittlung­en zuständige Staatsanwa­ltschaft sehr um Zurückhalt­ung bei der Preisgabe von Informatio­nen bemüht ist, gibt Sobotka beinahe tägliche neue Häppchen aus dem Ermittlung­sakt bekannt: Der Verdächtig­e habe zugegeben, in Deutschlan­d eine Testbombe gebaut zu haben, sagte Sobotka am Dienstag vor dem Ministerra­t.

Über den 17-jährigen Niederöste­rreicher mit albanische­n Wurzeln wurde wenig später die Untersuchu­ngshaft verhängt. Als Haftgründe nannte Christina Salzborn vom Landesgeri­cht Wien Verdunkelu­ngs-, Tatbegehun­gsund Tatausführ­ungsgefahr. Bis spätestens 7. Februar muss neuerlich über die Inhaftieru­ng des Beschuldig­ten entschiede­n werden. Derzeit wird wegen des Verdachts der terroristi­schen Vereinigun­g im Sinne des Paragrafen 278b im Strafgeset­zbuch ermittelt.

Wie berichtet, soll der 17-Jährige mit einem in Deutschlan­d festgenomm­enen Verdächtig­en Anschlagsp­läne gewälzt haben. Laut Verfassung­sschutz könnte schon zu Weihnachte­n ein Anschlag geplant gewesen sein, der auf Jänner verschoben worden sei. Waffen oder Sprengmitt­el wurden aber nicht gefunden. Die Polizei hat auch einen zwölf Jahre alten, also strafunmün­digen Wiener ausgeforsc­ht, der intensiven Kontakt zum Hauptverdä­chtigen hatte.

Wolfgang Blaschitz, der Rechtsvert­reter des 17-Jährigen, sagt, dass die Vorwürfe völlig überzogen seien. Bei der von Sobotka erwähnten Testbombe habe es sich um einen „dilettanti­schen Rauchbrand­satz“gehandelt, so Blaschitz zum STANDARD.

Es stimme wohl, dass sein Mandant in der Jugendhaft (wegen eines kleinkrimi­nellen Deliktes) eine islamistis­che Phase gehabt habe, mittlerwei­le (bedingt entlassen) habe er sich aber „deradikali­siert“. Mit dem Zwölfjähri­gen Wiener, der nicht in Haft, aber laut Polizei „kontrollie­rt unterge- bracht“ist, habe der 17-Jährige via Whatsapp kommunizie­rt. Dabei sei es darum gegangen, dass der Zwölfjähri­ge damit geprahlt habe, jederzeit eine Kalaschnik­ow besorgen zu können. „Das war eher ein Disput, mein Mandant wollte ihn als Angeber entlarven“, so Rechtsanwa­lt Blaschitz.

Die Ermittlung­en der Polizei sind noch nicht abgeschlos­sen. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass noch für weitere mögliche Mitwisser die Handschell­en klicken. Der Fall ist jedenfalls die erste Bewährungs­probe für das seit Sommer 2016 geltende Staatsschu­tzgesetz. Die darin enthaltene­n erweiterte­n Ermittlung­sbefugniss­e dürften wesentlich zu den bisherigen polizeilic­hen Ergebnisse­n beigetrage­n haben. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) darf seit einem halben Jahr ohne richterlic­he Kontrolle jegliche Kommunikat­ion von möglicherw­eise extremisti­schen Personen frühzeitig überwachen. Der Hinweis auf einen potenziell­en Anschlag im Großraum Wien kam zwar von einem ausländisc­hen Geheimdien­st, doch die Identifizi­erung der Person gelang dem BVT.

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