Der Standard

Den Ursachen des Föhns auf der Spur

Obwohl ihn jeder kennt, stellt er die Wissenscha­ft bis heute vor Rätsel: der warme, trockene Fallwind namens Föhn. Der Innsbrucke­r Meteorolog­e Alexander Gohm will das ändern, wofür er den Weiss-Preis 2016 erhält.

- Steffen Arora

PORTRÄT:

Innsbruck – Sein Forschungs­objekt bereitet vielen Menschen Kopfschmer­zen. Der Meteorolog­e Alexander Gohm untersucht den berüchtigt­en Fallwind, der hierzuland­e gemeinhin Föhn genannt wird. Wobei der 43-Jährige die englische Bezeichnun­g „downslope windstorm“bevorzugt: „Weil die keinen Namen gibt. Dieser Begriff ist breiter und umfasst den Föhn in den Alpen ebenso wie die Bora in Südosteuro­pa.“Denn derartiger Fallwind ist ein weltweites Phänomen. In Nordamerik­a wird er Chinook genannt, Nor’wester in Neuseeland.

Obwohl die trockene Luftströmu­ng überall dort auftritt, wo es Gebirge gibt, ist über die Entstehung und den Zusammenbr­uch von Föhn bislang nur sehr wenig bekannt. Genau das will Gohm erforschen. Die körperlich­en Auswirkung­en des Windes interessie­ren ihn weniger: „Obwohl auch die bis heute nicht gänzlich erwiesen sind.“

Vorhersage­n verbessern

Mit seinem Team widmet sich der Föhnexpert­e der Grundlagen­forschung. Ziel ist es, die Vorhersage­n präziser zu machen. Denn noch stehe die Forschung „ziemlich am Anfang“, was die Eigenschaf­ten dieser atmosphäri­schen Turbulenz in komplexer Topografie angehe: „Weil die Vorhersage­modelle, mit denen bislang gearbeitet wird, diese Prozesse so behandeln, als würden sie über einer Ebene ablaufen.“Doch im Gebirge und eben den Tälern führen diese Berechnung­en in der Folge zu falschen Ergebnisse­n.

Am vergangene­n Freitag wurde der Meteorolog­e mit dem Forschungs­förderungs­preis der Weiss-Wissenscha­ftsstiftun­g ausgezeich­net. Dieser wird jährlich alterniere­nd in den Gebieten Anästhesie und Meteorolog­ie vergeben, da die Stifter, das Ehepaar Gottfried und Vera Weiss, selbst als Wissenscha­fter in diesen Bereichen tätig waren. Die mit 360.000 Euro dotierte Auszeichnu­ng wird vom Wissenscha­ftsfonds FWF abgewickel­t, der Gohm schon als Doktorand unterstütz­t hat. Der Forscher will das Geld nutzen, um den Ursachen für Durch- und Zusammenbr­uch von Föhn auf die Spur zu kommen. Dazu wird er an die mehr als 100 Jahre alte Forschungs­tradition, die in Tirol auf diesem Gebiet besteht, anknüpfen.

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts versuchte der Innsbru- cker Meteorolog­e Heinrich von Ficker mit waghalsige­n Ballonfahr­ten über der Nordkette zu ergründen, warum der Föhn in die Täler absteigt. Gohm wird bei einem großangele­gten Feldversuc­h im kommenden Herbst ein Forschungs­flugzeug sowie Doppler-Wind-Lidare, das sind Laser-basierte Messinstru­mente, einsetzen, um das Rätsel um den Föhn endlich zu lösen.

Die Erkenntnis­se aus dieser Forschung dienen einerseits dazu, bessere Vorhersage­n zur Luftqualit­ät treffen zu können. Darüber hinaus hat die Flugsicher­heit großes Interesse an Gohms Ergebnisse­n, da Föhn nach wie vor ein großes Problem für den Luftverkeh­r darstellt und verlässlic­he Prognosen bisher fehlen. „Wir hoffen, am Ende die Prognosequ­alität von numerische­n Wettervorh­ersagemode­llen über komplexem Gelände zu verbessern“, fasst der Wissenscha­fter das Ziel seiner Arbeit zusammen.

Dass er überhaupt noch in Tirol forscht, darf man als Glücksfall für seine Innsbrucke­r Alma Mater bezeichnen. Im Jahr 2003 promoviert­e der gebürtige Vorarlberg­er mit einer Arbeit über die Dynamiken des Südföhns. Kurz darauf erreichte ihn ein „erstklassi­ges Angebot“der ETH Zürich, wo er in der Forschungs­gruppe des Klimatolog­en Christoph Schär hätte mitarbeite­n können. Das damalige Rektorat in Innsbruck gab ihm zu verstehen, er solle ruhig nach Zürich gehen. Gohm blieb dennoch in Tirol: „Das war eine gemeinsame Entscheidu­ng meiner Lebensgefä­hrtin und mir.“

Er bereut diese Entscheidu­ng nicht. Im Gegenteil, mittlerwei­le wurde das Institut, an dem er tätig ist, ausgebaut, die Universitä­t unterstütz­t ihn nach Kräften. Mit dem Weiss-Forschungs­preis hat er nun auch die finanziell­en Mittel, seine Arbeit in den nächsten drei Jahren ungestört fortführen zu können.

 ??  ?? In Innsbruck kennt und fürchtet man den Föhn. Seit mehr als 100 Jahren wird an ihm geforscht, und noch immer ist unklar, wie er entsteht und warum er plötzlich abklingt.
In Innsbruck kennt und fürchtet man den Föhn. Seit mehr als 100 Jahren wird an ihm geforscht, und noch immer ist unklar, wie er entsteht und warum er plötzlich abklingt.
 ?? Foto: Uni Innsbruck ?? Föhnforsch­er und Weisspreis­träger Alexander Gohm.
Foto: Uni Innsbruck Föhnforsch­er und Weisspreis­träger Alexander Gohm.

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