Der Standard

Inflation für Ärmere wieder höher

Zum fünften Mal in Folge sind im Vorjahr die Güter deutlich teurer geworden, für die ärmere Menschen mehr Geld ausgeben. Vor allem die Wohnungspr­eise treffen Geringverd­iener. Reichere hatten nur eine halb so hohe Inflation.

- Andreas Sator

Wien – Die Teuerung trifft ärmere Menschen in Österreich weiterhin deutlich stärker als jene mit höheren Einkommen. Im vergangene­n Jahr betrug die Inflations­rate für jene zehn Prozent der Haushalte, die am wenigsten ausgegeben haben, 1,1 Prozent. Für die obersten zehn Prozent, die über 5100 Euro im Monat ausgaben, lag die Teuerungsr­ate bei 0,6 Prozent.

Das zeigt eine Auswertung der Statistik Austria auf Anfrage des STANDARD. Damit setzt sich ein langjährig­er Trend fort. In den vergangene­n 120 Monaten sind jene Produkte, für die Haushalte mit niedrigere­n Einkommen relativ mehr ausgeben, 98-mal stärker im Preis gestiegen als jene von Reicheren.

Im Vorjahr waren es vor allem die steigenden Mieten, die stark zu Buche geschlagen sind. Haushalte mit niedrigere­n Einkommen wohnen häufiger in Miete. Reichere besitzen hingegen oft Eigentum und profitiere­n daher tendenziel­l von steigenden Preisen für Grundstück­e und Wohnungen.

Teure Mieten

Die Inflation ist bei Mieten seit Jahrzehnte­n deutlich höher als die durchschni­ttliche Teuerung. Davon sind Jüngere stärker betroffen, sagt Josef Baumgartne­r, Ökonom beim Wifo. „Die Steigerung­en sind am freien Markt deutlich stärker.“ Im Jahr würden etwa zehn Prozent aller Mietwohnun­gen ihren Besitzer wechseln, sagt der Ökonom. „Wer einmal eine Gemeinde- oder Genossensc­haftswohnu­ng ergattert hat, behält sie aber länger.“

Dabei war die Inflation für Ärmere im Vorjahr nicht viel höher als für den Durchschni­ttsösterre­icher, dessen Leben um 0,9 Prozent teurer wurde. Das liegt auch daran, dass die Preise für Lebensmitt­el mit 0,7 Prozent nicht sehr stark gestiegen sind. Je niedriger das Einkommen, desto höher ist tendenziel­l der Anteil der Ernährung an den Ausgaben.

Die langsam steigenden Preise für Lebensmitt­el im Vorjahr seien eine Ausnahme, sagt WifoÖkonom Baumgartne­r. „Die Inflation liegt hier seit 2000 fast jedes Jahr, teilweise deutlich, über der gesamtwirt­schaftlich­en Teuerung.“Das liege an der Konzentrat­ion im Einzelhand­el, wo wenige Konzerne fast den ganzen Markt unter ihrer Kontrolle haben.

Zahlen nur Annäherung

Die zitierten Zahlen der Statistik Austria sind eine Annäherung an eine Inflations­rate für Ärmere und Reichere. In der Statistik wird nicht erfasst, wie viele Leute in einem Haushalt wohnen. Je mehr Menschen in einer Wohnung leben, desto mehr Geld werden sie auch in Summe ausgeben. Dadurch sind sie aber noch lange nicht reich. Die Daten sind aber die besten zur Thematik, mit denen sich im Moment arbeiten lässt. Wenn betrachtet wird, wie sich die Realeinkom­men von unterschie­dlichen Gruppen in der Gesellscha­ft entwickeln, muss derzeit die durchschni­ttliche Inflations­rate verwendet werden. Das führt zu Verzerrung­en, wenn die Preise für Produkte, für die Niedrigver­diener relativ mehr ausgeben, seit Jahren stärker steigen, so wie das in Österreich der Fall ist.

Für Beschäftig­te in der Metallbran­che schaut das so aus: Nimmt man an, dass der Lohn eines Arbeiters jährlich nach Kollektivv­ertrag erhöht wurde, verdient er heute nominal um 27 Prozent mehr als noch 2007. Ist er, gemessen an den Ausgaben, bei den untersten zehn Prozent, hat er nach Inflation sechs Prozent mehr. Würde er hingegen zu den obersten zehn Prozent gehören, wäre sein Einkommen doppelt so stark gestiegen.

SCHWERPUNK­T Was das Leben kostet

 ??  ?? Junge Familien, die kein Eigentum besitzen, leiden besonders unter den steigenden Mieten in Österreich. Die Inflations­rate von Menschen mit weniger Geld ist seit Jahren höher als die offizielle.
Junge Familien, die kein Eigentum besitzen, leiden besonders unter den steigenden Mieten in Österreich. Die Inflations­rate von Menschen mit weniger Geld ist seit Jahren höher als die offizielle.

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