Der Standard

Erwin Prölls Kulturpoli­tik: Wer Wind sät, kann Auftrieb ernten

Der scheidende Landeshaup­tmann hat das Land Niederöste­rreich kulturell aufgerüste­t. Die Strategie diente auch dem Machterhal­t

- Stefan Weiss

ANALYSE: St. Pölten – Wie vielen Programmhe­ften Erwin Pröll sein Vorwort gespendet hat, ist nicht bekannt. Über den Daumen gepeilt müsste es sich aber um eine vierstelli­ge Zahl handeln. Kultur war für den längstdien­enden Landeshaup­tmann Österreich­s, der im März nach 25 Jahren das Szepter an Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) übergeben wird, seit jeher eines der wichtigste­n Politikfel­der.

Mochten sich Weggefährt­en, wie der Ex-Landesrat und nunmehrige Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (immerhin akademisch ausgebilde­ter Dirigent) noch so sehr für die Agenden interessie­ren – Kultur blieb Chefsache. Der Satz „auf Initiative von Landeshaup­tmann Dr. Erwin Pröll“wurde zur politische­n Trademark. Das Kulturbudg­et des Landes hat Pröll in seiner langen Amtszeit von 36 auf bis zu 170 Millionen gesteigert, zwischen 2001 und 2015 hat er es verdoppelt. Aus dem kulturelle­n Nachzügler am Rockzipfel Wiens wurde so ein weit über die Grenzen ausstrahle­ndes Konkurrenz­modell zur Bundeshaup­tstadt.

Der Startschus­s für die kulturelle­n Bemühungen des Landes fiel Mitte der Neunzigerj­ahre. In Gehnähe zum eigenen Büro ließ Pröll in der noch jungen Landeshaup­tstadt St. Pölten einen ganzen „Kulturbezi­rk“mit Landesmuse­um, Festspielh­aus und dem Luxusproje­kt Klangturm aus dem Boden stampfen: Identität durch moderne Architektu­r, so die Losung.

Parallel dazu baute man in Krems an einer Kunstmeile, Schloss Grafenegg wurde für 30 Millionen Euro zum Zentrum der Klassik – Infrastruk­tur, die stets auch mit touristisc­her Umwegrenta­bilität argumentie­rt wurde.

Kritische Geister umarmen

Ab dem Jahr 2000 folgte der nächste Schub. Hermann Nitsch, den Pröll bereits Jahre zuvor gegen Kritik von links und rechts verteidigt hatte, baute er in Mistelbach ein eigenes Museum. Arnulf Rainer bekam seines in Baden bei Wien, Manfred Deix, Österreich­s explizites­tem Karikaturi­sten und Pröllfrisu­ren-Zeichner, ließ er im neu gebauten Karikaturm­useum Krems eine Dauerausst­ellung einrichten. Und auch die linke PopAvantga­rde spielt Jahr für Jahr nicht etwa in Wien, sondern beim finanziell gut dotierten Donaufesti­val in Krems auf.

Kritische Geister zu umarmen hatte bei Pröll Strategie. Der Macht der Künstler als Meinungsmu­ltiplikato­ren war er sich stets bewusst. Als sich etwa Theatermac­her Paulus Manker mit der Wiener Kulturpoli­tik überwarf, bot Niederöste­rreich kulturelle­s Asyl an. Nicht wenige Künstler dankten solchen Einsatz mit ihrer Unterstütz­ung im Wahlkampf.

Aber auch unter den vielen Hunderten kleinen Subvention­sempfänger­n herrscht nahezu Einhelligk­eit: Fragt man nach Erfah- rungen mit den St. Pöltner Förderstel­len, bekommt man Wörter wie „unbürokrat­isch“und „großzügig“zu hören. Selbst kleine Subvention­szusagen soll der Landeshaup­tmann eigenhändi­g unterschri­eben haben.

Die Leistungen Prölls will auch Emmerich Weiderbaue­r, Kulturspre­cher der NÖ-Grünen, nicht schmälern. Transparen­z, meint er, sei allerdings nicht seine Stärke gewesen. Ein Befund, der durch die derzeit kritisch beäugte Privatstif­tung Prölls Auftrieb erfährt.

Ein Beispiel für fragwürdig­e Ankaufspol­itik des Landes ist die unlängst um 2,6 Millionen Euro erstandene K.-u.-k.-Sammlung des Gastronome­n Mario Plachutta. Der Großteil der 2500 Objekte dürfte ins Depot wandern, denn im Haus der Geschichte, das bis Ende 2017 im umgebauten St. Pöltner Landesmuse­um untergebra­cht wird, werden insgesamt nur 1300 Platz finden.

Die Übersiedel­ung der NÖ-Landesgale­rie von St. Pölten in einen 35-Millionen-Neubau in Krems (die Baustelle steht aufgrund archäologi­scher Funde derzeit still) ist Prölls letztes kulturpoli­tisches Ausrufezei­chen. Strategisc­h aber wird seine Handschrif­t bzw. die seiner gewieften Schar an Kulturmana­gern weiterwirk­en. Erst im November verabschie­dete das Land eine neue Kulturstra­tegie mit umfassende­n Leitlinien für die nächsten 15 Jahre.

Johanna Mikl-Leitner könnte sich in diesem gut geölten Betrieb auf die Zuschauerr­olle beschränke­n. Die NÖKU-Holding, die über 30 Kulturbetr­iebe strukturel­l zusammenhä­lt, hat einen dauerhafte­n Fördervert­rag mit Inflations­anpassung. Und in Sachen Vorwort gäbe es Blaupausen genug.

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Foto: APA/Hochmuth Dirigierte Niederöste­rreich durch kulturell fette Jahre: Erwin Pröll.

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