„Was, ginge die Macht vom Pub aus?“
Heute feiert im Volx/Margareten Martin McDonaghs „Hangmen (Die Henker)“Premiere. Es spielen u. a. Lukas Holzhausen und Rainer Galke.
STANDARD: Zehn Jahre lang hatte der irischstämmige Dramatiker Martin McDonagh statt Stücken Filmdrehbücher geschrieben und Filme gedreht. Die Uraufführung von „Hangmen“2015 war dann ein Ereignis. Was macht das Stück so gut? Holzhausen: Die kleinen Leute, die sich in diesem Pub, das Harry Wade, der letzte Henker von England betreibt, treffen – in ihnen ist die Welt gespiegelt. Wie man konkurrieren muss, vorkommen muss in diesem Pub, um zu überleben, nämlich indem man Witze macht – da kommt Gewalt in der Sprache vor! McDonagh ist der Stückeschreiber, der am nähesten bei Tarantino ist, was das angeht. Galke: Was so toll ist an dem Stück, kommt erst ein bisschen durch die Hintertür: 1965, die Todesstrafe in England wird an dem Tag abgeschafft. Da denkt man erst einmal, das hat mit mir nicht so viel zu tun. Damit hat man sich noch nie so wirklich beschäftigt, außer von oben herab, wenn Erdogan sagt, er führt die Todesstrafe jetzt wieder ein, oder Herr Hofer sagt, man kann ja zumindest das Volk abstimmen lassen, ob es Sinn machen würde. Wenn man aber die Wutbürger in diesem Setting sieht ... Holzhausen: ... Diese Combo von Stammtrinkern ist xenophob, homophob, reaktionär. Die, die für den Bre- xit wären, die das Gefühl haben, die liberale Welt sei gegen sie. Es fragt: Was wäre, wenn die Macht vom Pub ausgehen würde? Hangmen trifft im Moment absolut den Punkt, trotzdem ist es sehr komisch.
STANDARD: McDonagh sagte einmal, der Witz sei in seinen Stücken gleich wichtig wie Gewalt und Traurigkeit. Galke: Ganz sicher. Was Tragödie und Dramatik betrifft, hat das Stück alles, was ein well made play ausmacht. Das können die Engländer viel besser als die jungen deutschen Autoren. Holzhausen: Wobei die Gewalt bei einem well made play normalerweise nicht vorkommt.
STANDARD: Die Gewalt des Tötens hält Wade sich ja vom Leib, indem er sagt, er sei dabei ein „Diener der Krone“. Nicht unproblematisch steht von Anfang an auch ein Justizirrtum im Raum. Er begründet eine Tätersuche im Stück mit, einen Krimi. Holzhausen: Bestimmte Dinge sollte man nicht wissen, damit es spannend bleibt. Aber McDonagh schafft es, dass man sich auf die Seite von Tätern schlägt, weil man glaubt, es wäre gerechtfertigt, jemanden zu foltern, um zu erfahren, ob er wirklich die Tochter entführt hat oder nicht. Ich finde, dass man als Zuschauer diesen Shift mitmacht. Galke: Man sieht nicht viele Gutmenschen, aber McDonagh ist dann auch sehr menschenfreundlich, weil er zeigt, bei jedem Einzelnen besteht die Gefahr, dass ein Unschuldiger getötet wird.
STANDARD: Manchmal sind Stücke, die so eine Moral haben, sehr direkt in dem, was sie sagen wollen. Holzhausen: Das wird nicht passieren. Das Stück beinhaltet ganz viel, was kritisch ist, aber das ist in sich kritisch. Erstmal versuchen wir, die Story zum Laufen zu kriegen, die Charaktere zum Leben zu erwecken. Diese Tarierung ist wichtig: Dass der Druck bis zum Schluss im Kochtopf bleibt.
STANDARD: Das Schauspieleraufgebot ist mit zwölf Darstellern doch sehr groß für eine Volx-Produktion? Holzhausen: Ja, eigentlich ein bisschen zu groß – so viele Schauspieler um die 50 Jahre hat das Volkstheater nicht. Aber das ist der Vorteil an Wien: Es gibt so viele Leute, die irgendwann einmal eine Schauspielausbildung gemacht haben! Es spielen ein Inspizient mit, ein Souffleur, der amtierende Präsident des österreichischen Boxsportverbands...
STANDARD: Die Uraufführung wurde mit Preisen überhäuft. Warum ist man nicht auf die große Bühne gegangen? Holzhausen: Es sprengt zwar ein bisschen den Rahmen des Volx, aber das ist auch ein Vorteil, weil die kleine Bühne eine andere Art Spiel erlaubt: Man muss nicht die große Übersetzung wählen für alles, was man tut. Galke: Ich würde es auch auf keinen Fall als Abwertung für das Stück sehen, sondern als Aufwertung für das Volx. Wir wollen das als zweite Spielstätte etablieren.
LUKAS HOLZHAUSEN, geb, 1967, ist seit 2015/16 Ensemblemitglied am Volkstheater. Er führt mit „Hangmen“zum zweiten Mal dort Regie.
RAINER GALKE, geb. 1971 und ebenfalls seit 2015/16 Ensemblemitglied, wurde 2016 für den Irrsigler in „Alte Meister“mit dem Nestroy in der Kategorie Bester Schauspieler ausgezeichnet.