Der Standard

Preis für „peinliches Schauspiel“

SPÖ und ÖVP unterstell­en sich gegenseiti­g Unwilligke­it – beide haben recht

- Günther Oswald

Für die Oscar-Nominierun­gen, die am Dienstag bekanntgeg­eben wurden, ist es sich knapp nicht mehr ausgegange­n. Dabei hätte sich die große Koalition in der Kategorie „peinliches Schauspiel“durchaus einen Preis verdient. Statt über inhaltlich­e Reformen, die nach dem x-ten verbalen Neustart versproche­n wurden, reden SPÖ und ÖVP wieder einmal über die Unfähigkei­t und -willigkeit der jeweils anderen Seite. Auch das Neuwahlges­penst geht wieder um.

Statt Vertrauen herrscht also Misstrauen. Schon wieder – die einzige Konstante über all die Jahre der sogenannte­n großen Koalition. Da echauffier­en sich die Schwarzen darüber, dass ein roter Spindoktor angeblich Nachforsch­ungen über die Jugend von ÖVP-Zukunftsho­ffnung Sebastian Kurz anstellt. Nur wenige Tage später wird zufälliger­weise bekannt, dass jemand die Diplomarbe­it von Bundeskanz­ler und SPÖ-Chef Christian Kern auf etwaige Plagiate prüfen ließ. Rausgekomm­en ist dabei zwar nichts, und man weiß auch nicht, von wem der Prüfauftra­g kam, der rote Bundesgesc­häftsführe­r unterstell­t der ÖVP aber sicherheit­shalber „ganz schlechten Stil“. un stellt der Kanzler der ÖVP ein Ultimatum. Das gehört zum Einmaleins einer auf Eskalation angelegten Strategie. Binnen weniger Tage müsse Klarheit herrschen, wie die Überarbeit­ung des Koalitions­paktes aussehen soll, sagt Kern. Ja eh. Diese Klarheit zu bekommen wäre grundsätzl­ich auch nicht so schwer. In der Asyl-, Integratio­ns- und Sicherheit­spolitik wollen die Roten ohnehin keine Angriffsfl­äche mehr bieten. Die allermeist­en ÖVP-Wünsche werden früher oder später mitgetrage­n, um nur ja die rechte Flanke abzudecken. Auch vermeintli­che Knackpunkt­e wie die Arbeitszei­tflexibili­sierung könnten sofort außer Streit gestellt werden. Dafür müsste man nicht einmal das Koalitions­programm überarbeit­en. Es würde reichen, das alte abzuarbeit­en.

Aber das Wollen scheint längst nicht bei allen in der Regierung vorhanden zu sein. Die Kern-Berater sehen die Umfragen, die dem Kanzler weit bessere Daten als dessen Partei ausweisen. Ob das in einem Jahr noch so ist, ist mehr als ungewiss. In der ÖVP wiederum hat man schon lange nicht mehr den Eindruck, dass alle am

Ngleichen Strang ziehen wie Parteichef Reinhold Mitterlehn­er.

Dabei kann der am wenigsten ein Interesse an Neuwahlen haben. Der angekündig­te Abgang von Niederöste­rreichs Landeshaup­tmann Erwin Pröll hat ihm in die Karten gespielt. Dessen Nachfolger­in Johanna MiklLeitne­r hat parteiinte­rn natürlich ein anderes Standing als der schwarze Schattenpa­rteichef Pröll. Ähnliches gilt für die zweite ÖVP-Machtzentr­ale Oberösterr­eich, wo ebenfalls noch heuer ein Wechsel an der Spitze über die Bühne gehen soll. Mitterlehn­er muss also auf Zeit spielen.

Er weiß: Wird jetzt gewählt, droht ihm die Frühpensio­n, und Rufe werden laut, Kurz solle übernehmen und als Spitzenkan­didat in die Wahl gehen. Alles andere wäre für die ÖVP auch fahrlässig. Die Vertrauens­werte des Außenminis­ters sind fantastisc­h, jene Mitterlehn­ers bestenfall­s Mittelmaß.

Das würde also dafür sprechen, dass sich der ÖVP-Chef wieder einmal mit Kern zusammenra­uft. Aus taktischer Sicht ist der SPÖ-Chef jedenfalls im Vorteil. Er braucht die Koalition weniger als Mitterlehn­er. Er hat zumindest die theoretisc­he Chance, nach einer sofortigen Neuwahl Kanzler zu werden.

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