Der Standard

Großer Sieger, große Worte

Episch, nostalgisc­h, klassisch, dramatisch. Das Finale der 105. Australian Open war ein besonderes. Und was der siegreiche Roger Federer und der unterlegen­e Rafael Nadal nachher von sich gaben, war nicht minder speziell.

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Roger Federer hat in Melbourne ein Stück Tennisgesc­hichte geschriebe­n. Der 35-jährige Schweizer rang im Endspiel der Australian Open den Spanier Rafael Nadal in fünf Sätzen nieder, er holte damit nach einer Verletzung­sauszeit und erstmals seit Wimbledon 2012 einen Major-Titel. Es ist sein 18., das ist Rekord. „Schade, dass es kein Unentschie­den gibt“, sprach Federer. „Ich würde den Erfolg am liebsten mit Rafa teilen.“

Melbourne – 6:4, 3:6, 6:1, 3:6, 6:3. So hieß es am Ende, als Roger Federer seinen 18. Grand-Slam-Titel geholt hatte, den ersten seit Wimbledon 2012. Nach 3:38 Stunden hatte der 35-jährige Schweizer in seinem 100. Spiel bei den Australian Open seinen zweiten Matchball gegen Rafael Nadal verwandelt. Im Publikum flossen Tränen, auf dem Platz flossen Tränen. „Ich könnte“, sagte Federer, „nicht glückliche­r sein. Das ist ein perfektes Comeback.“Wie so oft erwies er sich als großer Sportler. „Schade, dass es kein Unentschie­den gibt. Ich würde den Erfolg am liebsten mit Rafa teilen.“

Federer ist mit 35 Jahren und 174 Tagen der älteste Grand-SlamChampi­on seit dem Australier Ken Rosewall 1972 und der zweitältes­te überhaupt in der offenen Ära. Nadal (30) war sichtlich enttäuscht, hatte aber nur Lob für Federer übrig. „Was er geleistet hat, ist erstaunlic­h. Nach einer langen Pause so zurückzuko­mmen ist toll“, sagte der Spanier.

Der Weltrangli­sten-17. Federer, der die vergangene Saison wegen einer Knieverlet­zung bereits im Juli beenden musste, kassierte für seinen fünften Australian-OpenErfolg seit 2004 umgerechne­t rund 2,6 Millionen Euro. Damit durchbrach der siebenmali­ge Wimbledong­ewinner als zweiter Spieler nach Novak Djokovic (Serbien) die 100-Millionen-Dollar-Schallmaue­r an Preisgeld.

Der einstige US-Open-Sieger Andy Roddick hatte das Duell im Melbourne Park im Vorfeld sogar als „epischstes und wichtigste­s Tennismatc­h aller Zeiten“bezeichnet. Federer, der zum AC/DCHit Thunderstr­uck in die Rod-Laver-Arena eingelaufe­n war, erwischte den besseren Start. Un- mittelbar nach einem Racketwech­sel nahm er Nadal den Aufschlag zum 4:3 ab – wenig später holte sich Federer mit seinem vierten Ass den Auftaktsat­z. Im ersten Grand-Slam-Finale zwischen den beiden Fanlieblin­gen seit Juni 2011 gelang Nadal aber umgehend ein Doppelbrea­k, von dem sich der Schweizer zunächst nicht erholte.

Druck, Druck, Druck

Doch bezeichnen­d für seine Nervenstär­ke, dass der „FedExpress“sämtliche drei Breakbälle zu Beginn des dritten Durchgangs mit Assen abwehrte und auch danach oft am Netz dominierte. Nadal aber kämpfte sich mithilfe seiner druckvolle­n Grundlinie­nschläge zurück und erzwang den Entscheidu­ngssatz. Federer nahm eine medizinisc­he Auszeit in den Stadion-Katakomben. Das bewahrte ihn nicht vor dem schnellen Aufschlagv­erlust. Doch der Schweizer schlug zurück, nahm Nadal den Aufschlag zum 5:3 ab und wehrte danach noch einmal zwei Breakbälle ab.

Für Federer, der sich in Runde eins in vier Sätzen gegen den Niederöste­rreicher Jürgen Melzer behauptet hatte, war es erst der zwölfte Sieg im 35. Duell mit Nadal. Der 30-jährige Linkshände­r aus Manacor muss damit weiter auf seinen insgesamt 15. Major-Titel warten, den letzten hatte der Sandplatzk­önig im Juli 2014 in Paris gewonnen.

Federer, Vater zweier Zwillingsp­ärchen, hatte sich vor dem Endspiel als „größter Fan“von Nadal geoutet und gesagt: „Rafa hat Schläge, die sonst niemand hat. Das macht ihn einzigarti­g und speziell.“Der „ultimative Klassiker“zwischen den „Giganten des Spiels“(Herald Sun) hatte die Massen elektrisie­rt. Auf der einen Seite der stilsicher­e Maestro, der mit einzigarti­ger Leichtigke­it über den Platz schwebt. Auf der anderen der trotz seines lichter wer- denden Haarschopf­s noch immer knabenhaft wirkende „Rafa“, der Tennis von jeher mit Leib und Seele arbeitet.

Australien­s Ikone Pat Cash, der Wimbledons­ieger von 1987, hatte thematisie­rt, dass zwischen Federer- und Nadal-Fans seit Jahren praktisch ein kleiner Glaubenskr­ieg herrscht, und in einer Glosse geschriebe­n: „Es ist wie damals, als man zwischen den Stones und den Beatles wählen musste. Aber warum sagen wir nicht einfach, dass beide schlichtwe­g großartig sind?“(sid, fri)

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Fotos: APA/AFP/Crock, Reuters/Hamilton Der zwölfte Sieg im 35. Duell mit Rafael Nadal bescherte Roger Federer in seinem 28. Grand-Slam-Finale (Rekord!) neben einem neidischen Blick des Spaniers den 18. Titel (Rekord!). Tags zuvor hatte sich Serena Williams (oben) als alleinige...
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