„Tanzschritte müssen praxistauglich sein“
Früher wurden Tanzkurse von Jugendlichen besucht, weil sie als Eintrittskarte ins Erwachsenenleben galten. Heute müssen sich Tanzschulen schon ein wenig mehr als das Vermitteln von Gesellschaftstänzen einfallen lassen, um Kunden anzulocken.
Wien – 1, 2, 3, lang-kurz-kurz, links-rechts-links, rechts-linksrechts der Herr, rechts-linksrechts, links-rechts-links die Dame. Wer sich zur Ballsaison in Österreich ins Getümmel auf dem Tanz parkett wirft, sollte von dieser Schritt kombination zumindest einmal gehört haben. Oder besser noch den Wiener Walzer schon einmal erprobt haben.
Für Jugendliche gehörte vor Jahrzehnten zu diesem Behuf der Besuch einer Tanzschule dazu. Dieser erfüllte noch einen weiteren Zweck: Direktkontakt zum anderen Geschlecht. Für Singles jeden Alters boten Tanzkurse Chancen zum Anbandeln, für viele Paare waren sie eine Art Freizeitsport.
Diskotheken, Kletter hallen, Yoga zentren, Lauf treffs, Fitness studios– die Freizeit möglichkeiten und damit auch die Gelegenheiten zum Kennenlernen anderer Leute sind im Laufe der Zeit gewachsen. Das bekommen in mancher Hinsicht auch die Tanzschulen zu spüren .„ Das Durchschnittsalter der Kursteilnehmer ist gestiegen, das Angebot vielfältiger geworden “, s tel ltEddyFranzen, Präsident des österreichischen Tanzlehrerv er bands(VTÖ ), fest.
Der Verband zählt österreichweit 95 Tanzschulen, in denen geschätzte 300 bis 350 Lehrerinnen und Lehrer den Kursteilnehmern den richtigen Dreh vermitteln. Viele von ihnen unterrichten nebenberuflich, „weil Tanzen eben einfach Spaß macht und ein guter Ausgleich ist“, sagt Franzen, der seine Berufslaufbahn vor 30 Jahren begonnen hat und seit 2008 in Wien eine eigene Schule leitet.
„Best Ager“sind zu einer eigenen Zielgruppe geworden. „Man sagt nicht ohne Grund, Tanzen hält jung. Sowohl beim Lernen neuer Formen als auch bei der regelmäßigen Ausübung wird die Körper beherrschung geübt und der Geist angesprochen.“
Neben den Gesell schafts tänzen für Paare sorgen Trends wie BaBoom, bei denen man mit einfachen Choreografien auch ohne Partner zu Musik der Babyboomer-Generation abtanzen kann, dafür, dass Singles gezielt eine Tanzschule aufsuchen. Immer häufiger stehen auch Workshops (wie „Tango auf der Alm“) und Tanzreisen auf dem Menüzettel der Anbieter.
Reich werde man als Tanzlehrer zwar nicht, meint Franzen, doch man könne damit ganz gut über die Runden kommen. Der durchschnittliche Preis für einen Tanzkurs liege zwischen 90 und 110 Euro (acht bis zehn Abende).
Weiße Handschuhe und Lackschuhe, dieses Modell funktioniere heute nur noch für eine gewisse Klientel, findet Thomas Schwebach. Seine Schwester Martina und er führen seit einiger Zeit die von ihren Eltern gegründete Tanzschule. Im November eröffneten sie in Wien-Donaustadt einen Neubau mit 1500 Quadratmetern auf zwei Etagen, der ein Tanzcafé mit Galerie und Terrasse und vier Tanzsäle mit insgesamt 600 Quadratmetern umfasst. Inklusive Grundstück haben sie dafür 5,5 Millionen Euro investiert. Hier und am Standort St. Pölten beschäftigen die Geschwister 38 Personen.
Ihr Credo: das Angebot an die Arbeits- und Lebenssituation der Kunden anpassen. Das verlange ein hohes Maß an Flexibilität. Paralleltermine ermöglichten etwa, im Paartanzabo zwischen verschiedenen Kurstagen zu wechseln. Und noch etwas hält Schwebach für wesentlich, um die Lust auf Tanzkurse zu erhöhen: „Etepetete? Nein, danke. Tanzschritte müssen praxistauglich sein.“