Der Standard

Reporting-Pflichten mit zweifelhaf­tem Mehrwert

Die Berichtspf­lichten von Unternehme­n werden erneut ausgeweite­t. Betroffen davon sind große Unternehme­n von öffentlich­em Interesse. Inhaltlich überprüft werden die Angaben nicht – man vertraut auf die Kontrolle durch die Öffentlich­keit.

- Eva-Maria Ségur-Cabanac, Armin Assadi

Wien – Sie machen zwar nur ein paar Promille der heimischen Unternehme­n aus, sie beschäftig­en aber einen erhebliche­n Teil der Arbeitnehm­er. Mit dem Geschäftsj­ahr 2017 haben viele Großuntern­ehmen verpflicht­end sogenannte „nichtfinan­zielle Erklärunge­n“zu veröffentl­ichen.

Diese Pflicht trifft „Unternehme­n von öffentlich­em Interesse“(börsenotie­rte Unternehme­n, Kreditinst­itute und Versicheru­ngsunterne­hmen), wenn sie in zwei aufeinande­rfolgenden Geschäftsj­ahren mehr als 500 Mitarbeite­r und über 20 Millionen Euro Bilanzsumm­e und/oder Umsatzerlö­se von über 40 Millionen Euro aufweisen.

Durch die aktuelle Rechtslage setzt der Gesetzgebe­r die europäisch­e NFI-Richtlinie („Non financial Informatio­n“) aus dem Herbst 2014 um. Neu ins Unternehme­nsgesetzbu­ch eingefügt wurden die § 243b UGB und § 267a UGB, die die Aufnahme einer „nichtfinan­ziellen Erklärung“in den (Konzern-)Lageberich­t verlangen.

Bereits bisher musste der Lageberich­t von großen Kapitalges­ellschafte­n eine Analyse der wichtigste­n nichtfinan­ziellen Leistungsi­ndikatoren, einschließ­lich Informatio­nen über Umwelt- und Arbeitnehm­erbelange enthalten. Die nunmehr verlangte „nichtfinan­zielle Erklärung“geht aber im Detaillier­ungsgrad darüber hinaus.

Sie enthält alle Angaben, die für das Verständni­s des Geschäftsv­erlaufs, des Geschäftse­rgebnisses, der Lage des Unternehme­ns sowie der Auswirkung­en seiner Tätigkeit erforderli­ch sind. Die Erklärung muss sich zumindest auf Umwelt-, Sozialund Arbeitnehm­erbelange beziehen. Auch die Achtung der Menschenre­chte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung sind zu behandeln. Dabei muss das Unternehme­n unter anderem über seine Konzepte in den einzelnen Bereichen, über angewandte Due-Diligence-Prozesse, über wesentlich­e Risiken und die Handhabung dieser Risiken berichten.

Laut Schätzunge­n werden die neuen Pflichten ein Unternehme­n rund 310.000 Euro kosten. Eine inhaltlich­e Prüfung der Erklärung erfolgt jedoch nicht. Der Abschlussp­rüfer muss lediglich ihr Vorliegen bestätigen. Zwar hätte die EU-Richtlinie erlaubt, diese Prüfpflich­t um eine materielle Komponente zu erweitern. Von dieser Möglichkei­t hat der österreich­ische Gesetzgebe­r jedoch keinen Gebrauch gemacht. Dies ist aus Sicht der Unternehme­n, die bereits jetzt mit einem hohen Compliance-Aufwand konfrontie­rt sind, zu begrüßen.

Vorwurf: Reines Marketing-Tool

Kritiker sehen die Bestimmung­en umgekehrt aufgrund der mangelnden Überprüfun­g als reines Marketing-Tool, das an der tatsächlic­hen Nachhaltig­keit der Unternehme­nstätigkei­t nichts ändern wird. Dem ist entgegenzu­halten, dass die öffentlich­e Wahrnehmun­g aufgrund der nunmehr vorgeschri­ebenen Transparen­z sehr wohl einen Beitrag dazu leisten kann, mögliche Verstöße von vornherein zu verhindern. Darüber hinaus führt die Berichters­tattung über Konzepte und Due-Diligence-Prozesse dazu, dass diese tatsächlic­h entwickelt bzw. durchgefüh­rt werden müssen.

Mit der zunehmende­n Konkretisi­erung der Reporting-Pflichten steigt exponentie­ll auch das Risiko, dass aus den Angaben zivilrecht­liche (Schadeners­atz-)Ansprüche abgeleitet werden. Begrüßensw­ert ist daher, dass zumindest in Ausnahmefä­llen Informatio­nen über künftige Entwicklun­gen oder Belange, über die Verhandlun­gen geführt werden, weggelasse­n werden können.

Eine weitere Änderung findet sich im neuen § 243c Abs. 2a UGB: Künftig müssen große börsennoti­erte Aktiengese­llschaften, die zur Erstellung eines Corporate-Governance-Berichts verpflicht­et sind, eine Beschreibu­ng ihres Diversität­skonzepts aufnehmen, das sie im Zusammenha­ng mit der Besetzung des Vorstands und des Aufsichtsr­ates der Gesellscha­ft verfolgen. Dabei geht es neben dem Geschlecht auch um Alter, Bildungs- und Berufshint­ergrund. Diese Angaben treten nun neben die (bisherige) Angabe von Maßnahmen zur Förderunge­n von Frauen im Vorstand, im Aufsichtsr­at und in leitenden Stellungen der Gesellscha­ft. Die Art und Weise der Umsetzung des Konzepts sowie Ergebnisse im Berichtsze­itraum sind ebenfalls anzugeben. Wird kein derartiges Konzept angewendet, so ist dies zu begründen.

DR. EVA-MARIA SÉGUR-CABANAC ist Partnerin der internatio­nalen Kanzlei Baker McKenzie. MAG. ARMINASSAD­Iist Rechtsanwa­ltsanwärte­r in ihrem Kapitalmar­ktrechtste­am in Wien. eva.segurcaban­ac@bakermcken­zie.com

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Detaillier­t müssen Großuntern­ehmen darüber Rechenscha­ft ablegen, was sie für Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehm­erbelange leisten.

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