Der Standard

„Ich bin nie betrunken oder so“

Aus Anlass des 80. Geburtstag­s von Philip Glass (31. 1.) führt das Bruckner-Orchester Linz am Dienstag in der New Yorker Carnegie Hall dessen elfte Symphonie auf. Eine Begegnung mit dem Starkompon­isten.

- Stefan Ender

Linz – War er es? Hat er es der Welt ins Ohr gesetzt, dieses ewige Auf und Ab, diese wellenarti­gen Motive, die sich permutiere­nd durch verwandte Harmoniest­ufen bewegen? Darf Philip Glass spätestens seit seiner Musik zu Koyaanisqa­tsi (1982) als Vater allen leicht hypnotisch­enFil m-und Fernsehmus­ik hintergrun­d pläts ch ernsàla Yann Tiersen, Ludovico Einaudi und Co bezeichnet werden?

Jedenfalls hat der Amerikaner seitdem nicht mehr abgelassen von diesen repetitive­n Strukturen, hat sie (unter anderem) in seiner Musik zu den Filmen The Truman Show und The Hours eingesetzt. Schnell komponiert, wirkungsvo­ll und ungeheuer beliebt – was will der Tonsetzer mehr? Jedenfalls trifft man auch in Glass’ Neuheit, der elften Symphonie, auf die motivische­n Berg-und-Tal-Fahrten: Die ersten Geigen desBruckne­rOrchester­s Linz sind auf einige Zeit gut damit beschäftig­t.

Es probt der Klangkörpe­r die Elfte in Anwesenhei­t von Glass. Er wird am 31. Jänner 80, und aus diesem Anlass führen die Linzer die Elfte exakt an diesem Tag zum ersten Mal auf, und dies in der New Yorker Carnegie Hall. Gut hundert Orchesterm­usiker jetten mit sieben Tonnen Tourgepäck im Rahmen der dritten USA-Tournee des Klangkörpe­rs unter der Leitung von Dennis Russell Davies über den großen Teich.

Wie das? Glass wohnt zwar seit langem in der Stadt, die niemals schläft. Doch als sein „zweites Heim“bezeichnet er im STANDARDGe­spräch Linz. Dennis Russell Davies, der Chefdirige­nt des Bruckner-Orchesters, ist mit Glass seit Jahren in einer künstleris­chen Freundscha­ft verbunden. Dies führte dazu, dass The Orchestra of the State of Upper Austria, wie sich der Klangkörpe­r im Ausland nennt, zum Auftraggeb­er und Uraufführu­ngsorchest­er von zwei Opern (Kepler; Spuren der Verirrten) und dreier Symphonien (Nr. 8, 9 und 11) von Glass wurde. Und so fragt man Glass in Linz denn auch gleich nach der intensiven Beziehung zwischen ihm und Davies. „Er mag meine Musik“, meint er lapidar und schiebt schmunzeln­d nach: „Und ich liefere die Stücke pünktlich. Ich bin nie betrunken oder so.“Pünktlich geliefert hat Glass auch sein neues Werk. Gut zwei Wochen vor der Uraufführu­ng überrascht­e er Davies jedoch nächtens mit der Ankündigun­g, das Ende des dritten Satzes leider neu schreiben zu wollen.

Indischer Einfluss

Wie klingt seine Elfte nun? Wie das meiste von Glass. Spätestens seit seiner Beschäftig­ung mit der Musik des indischen Sitarmeist­ers Ravi Shankar – Mitte der 1960er – hat der Vielschrei­ber (über 20 Opern, elf Symphonien, zahllose Filmmusike­n) sein Faible für repetitive Muster entwickelt. Ist seine Musik wegen des grenzhypno­tischen Effekts erfolgreic­h? „Über so etwas denke ich nicht nach“, meint Glass mit sanfter Stimme. Auch über seine Kompositio­nsweise und eventuelle Inspiratio­nsquellen gibt er nicht einmal bruchstück­haft Auskunft.

Toll findet Glass, dass Landeshaup­tmann Josef Pühringer, der betont, dass Musik wohl zum wichtigste­n Exportgut dieses Landes gehöre, mit nach New York fährt. Das findet Glass’ Zustimmung, und er führt die Sache weiter aus: Musik verbessere nicht nur die Lebensqual­ität und erfreue die Menschen, sondern: „Musik bringt auch Geld.“Glass findet es bewunderns­wert, wie in Europa die öffentlich­e Hand Kunst und Kultur fördert: In den USA sei die öffentlich­e Unterstütz­ung für einen Komponiste­n genau null.

Er selbst habe nie Unterstütz­ung erhalten und immer gearbeitet – als Taxifahrer etwa. Erst ab Anfang 40 hat er von seiner Arbeit leben können, und das schätzt der Bienenflei­ßige seitdem jeden Tag. Seine Stücke hat er von Beginn an selbst veröffentl­icht, denn wenn Geld davon reinkommen würde, sollte es auch ihm zufließen. „Musik ist ein Geschäft und soll auch etwas kosten. Das habe ich im Schallplat­tenladen meines Vaters von klein auf vor Augen geführt bekommen“, erklärt Glass. Bleibt die Hoffnung, dass sich auch die Geschäftsb­eziehung zwischen ihm und dem Orchester für beide als gewinnbrin­gend erweist – finanziell und eventuell doch auch künstleris­ch.

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Hat eine besondere Beziehung zu Linz und reiste unlängst zu Orchesterp­roben an – Philip Glass.

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