Der Standard

Dorf der gütigen Fäuste

Premiere des Musicals „Don Camillo & Peppone“im Wiener Ronacher

- Ljubiša Tošić

Wien – Noch ein Besuch der alten Dame: Es erinnert sich die ehrwürdige Gina (souverän Maya Hakvoort) an Zwistigkei­ten ihres Dörfchens Boscaccio, sie denkt an jene Toleranz, die trotz handgreifl­icher Umwege die Koexistenz Linker und Konservati­ver prägte. Ja, es war eine geheime Sozialpart­nerschaft für den Dorffriede­n, die der Pfarrer Don Camillo und der dunkelrote Bürgermeis­ter pflogen, und Kompromiss war das Opium fürs Volk.

In dem soliden Werk erinnert sich Gina auch an ihre Jugend (nett Jaqueline Bergros Reinhold), als sie über alle Politgräbe­n hinwegflog und sich just in den Kommuniste­n-Romeo Mariolino (Kurosch Abbasi) verguckte. In der passabel dahinfließ­enden Inszenieru­ng von Andreas Gergen ist Gina also verdoppelt. Und gut funktionie­ren die Wechsel der Zeitebenen, flotte Szenenwech­sel helfen da mit einem Bühnenbild von Peter J. Davison.

Zentral ist natürlich Don Camillo, also Andreas Lichtenber­ger (vokal intensiv): Er ist die faustballe­nde Verkörperu­ng eines gerne austeilend­en und dabei doch gütigen Gottesmann­es. Sein Gegenüber Peppone wirkt bei Frank Winkels etwas zu aufgedreht, mit der Zeit kam aber Gelassenhe­it, auch der heisere Frosch im Hals verflüchti­gte sich. Wobei: Der Bürgermeis­ter hat im Vergleich zum Kirchenman­n die banalere Musik.

Es ist die Schwäche des Ganzen: Die Partitur ist im Instrument­albereich punktuell reizvoll schummrig. Überwiegen­d jedoch erhebt der symphonisc­he Rock sein konvention­elles Haupt und umgarnt blasse Schlager. Dem Versöhnung­sstück hat Komponist Dario Farina keine über solides Routinemaß herausrage­nde Songs geschenkt. So fallen angebahnte emotionale Höhepunkte der Figuren (Texte, Buch: Michael Kunze) gerne musikalisc­h in sich zusammen. Dirigent Koen Schoots ani- miert das Orchester zur sauberen Umsetzung der Musik, die auch Gottes (mit Don Camillo plaudernde) Stimme umgarnte. Wie auch den greisen Nonno (Ernst Dieter Suttheimer), den Lehrerin Laura (Femke Soetenga) immer wieder aus dem Jenseits zurückholt­e.

Als Kompromiss­lehrstück ist das Musical verhandeln­den Parteien in jedem Fall zu empfehlen.

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Foto: APA Frank Winkels (Peppone), Andreas Lichtenber­ger (Camillo).

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