John Hurt 1940–2017
Der britische Schauspieler wurde 77 Jahre alt
London – Würde man sich jene Momente in Erinnerung rufen, in denen das Kino zu sich selbst gefunden hat, es gäbe in Wahrheit nicht allzu viele. So wie jene in David Lynchs The Elephant Man, wenn Anthony Hopkins die legendäre Träne weint, als plötzlich dieser Mann vor ihm steht: der zum „Elefantenmenschen“verwandelte John Hurt, einer der feinsinnigsten Charakterdarsteller der Kinogeschichte.
John Vincent Hurt, geboren 1940 in der Nähe von Sheffield, war – und das sollte sein Geschenk an die Leinwand sein – lange Jahre und bis zuletzt auch ein Mann des Theaters. „If I’m in theatre, cinema doesn’t even cross my mind. Similarly when I’m making a film, theatre doesn’t cross my mind“, meinte er einmal. Möglicherweise ist man deshalb, mehr noch als bei vielen anderen Schauspielern, versucht, Hurts Ausdruck und seine Mimik zu beschwören, die er seinen so oft verletzten und geschundenen Figuren seit seinem Filmdebüt, Fred Zinnemanns A Man For All Seasons (1966), verlieh. Überragend sein Auftritt in Alan Parkers Midnight Express (1978), in dem er als Drogendealer in einem türkischen Gefängnis dahinvegetiert.
Hurt verlieh seinen Figuren mit großer Sensibilität immer etwas Zerbrechliches, Existenzielles. Figuren, die sich der Konfrontation ausgesetzt sehen, oft jener mit sich selbst, und es ist kein Zufall, dass seine Interpretation von Becketts Einakter Krapp’s Last Band auf der Bühne bis heute zu den besten ihrer Art zählt.
Dem Mainstreamkino blieb Hurt weitgehend fern, sein Leiden in der „Chestburster-Scene“in Alien (1979) währt so kurz, wie seine Auftritte in US-Blockbustern, die er bis zuletzt mit Routine absolvierte und adelte, sporadisch blieben.
In diesem Sinn begriff John Hurt das Kino als Möglichkeit zur eigenen Entfaltung. Ob als Gedankenverbrecher in Michael Radfords 1984, als Erzähler für Lars von Triers Dogville und Manderlay, die er mit seiner markanten, sonoren Stimme intonierte und ihnen einen zynischen Unterton verlieh. Oder auch in Form anderer Partnerschaften, die er über Jahrzehnte, etwa mit Jim Jarmusch, aufrechterhielt.
„As Beckett said, it’s not enough to die, one has to be forgotten as well“, so der Brite mit listiger Überzeugung. In der Nacht auf Samstag starb John Hurt im Alter von 77 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs in London.