Der Standard

Ernst M. Binder 1953–2017

Der Autor und Regisseur starb im Alter von 64 Jahren

- Stefan Gmünder

Graz – „Es riecht nach Schnee. Der Wind wird uns tragen durch das Leben, das Sterben und über den Winter. Wer jetzt jemandem ein Lächeln schenkt, der wird getragen werden bis Sonnenaufg­ang“, schrieb Ernst M. Binder in seinem Prosaband Das stumme H (2011).

Das Getriebens­ein, das Anschreibe­n gegen Tod und Verstummen, der Imperativ, berührt zu sein – und es mit aller Kraft zu bleiben –, sind neben einem radikalen Einstehen für die Welt der Kunst Themen, die in den Arbeiten dieses Grazer Autors, Dichters sowie Theater- und Opernregis­seurs immer wieder anklingen. 1953 in Raabau (Feldbach) geboren und aufgewachs­en, zog Ernst Marianne Binder, der den Namen seiner 1974 verstorben­en ersten Frau und Mutter seines Kindes in der Mitte seines Namens „begraben“hat, früh aus, um Protestson­gschreiber, Schriftste­ller und Musiker zu werden. Nach einem selbstvero­rdneten Drogenentz­ug auf Kreta, den er stets offen thematisie­rte, und Arbeiten als Steinmetz, Olivenpflü­cker und Fabrikarbe­iter wandte sich Binder ab den 1980erJahr­en vermehrt „fremden“Texten zu. Er stemmte Uraufführu­n- gen von Werner Schwab, Elfriede Jelinek, Handke, Jonke und Schleef auf die Bühne. Er war künstleris­cher Leiter des Theaters Forum Stadtpark und von dramagraz und Hausregiss­eur des Staatsthea­ters Schwerin, daneben inszeniert­e er in Hamburg, Ljubljana und am Berliner Ensemble. Mehrfach wurden seine Produktion­en zum Berliner Theatertre­ffen und zu den Mülheimer Theatertag­en eingeladen.

Unter einer Aufzählung der Auszeichnu­ngen, die ihm sein Schaffen über die Jahre eingebrach­t hat, notiert er auf seiner Homepage 2017: „Selbst verliehene Genehmigun­g, müde zu sein“. Bis zuletzt sich selbst wenig schonend und ästhetisch keine Kompromiss­e eingehend, arbeitete er jedoch unermüdlic­h weiter. „Das Leben“, schrieb er, „kann nie dieser Leichtigke­it gerecht werden, die aus Krücken Flügel schnitzt. Trotzdem. Ich werde gehen mit nichts als mit mir.“

Ernst M. Binder verstarb in der Nacht auf Samstag überrasche­nd in Graz. Samstagabe­nd wurde – trotzdem – an der Kunstuni Graz die Premiere von Humperdinc­ks Märchenspi­el Hänsel und Gretel gegeben, das Binder als Flüchtling­sstück inszeniert hatte.

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Foto: Josef Klammer Anschreibe­n gegen den Tod: Ernst Marianne Binder.

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