Der Standard

Trumps Kampfansag­e an den Islam

Das Einreisede­kret sorgt kurzfristi­g für Chaos und langfristi­g für Blutvergie­ßen

- Eric Frey

Seit jenem schrecklic­hen Augenblick vor 15 Jahren, als die Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center einschluge­n, haben sich amerikanis­che Präsidente­n um eines bemüht: dass sich der Kampf gegen radikalisl­amische Terrorgrup­pen nicht in einen Krieg gegen den Islam verwandelt. George W. Bush zog das missglückt­e Wort vom „Kreuzzug“rasch zurück und warnte vor der Diskrimini­erung muslimisch­er Amerikaner. Barack Obamas Kairoer Rede 2009 war ein ehrgeizige­r Versuch, die jahrhunder­tealte Kluft zwischen dem Westen und der islamische­n Welt zu überwinden. Dies war innenpolit­isch nicht immer leicht, denn viele Amerikaner setzen seit 9/11 Islam mit Terror gleich. Und auch das Zögern moderater Muslime, radikale Kräfte in ihrer Mitte eindeutig zu verdammen, spielte den Feinden dieses Kurses in die Hände.

Mit einem Federstric­h hat Donald Trump diese Politik ins Gegenteil verkehrt. Sein Einwanderu­ngsstopp für sieben Länder und die sonstigen Anordnunge­n sind – auch wenn er sie als Schritt zum Schutz der US-Bevölkerun­g anpreist – eine Kriegserkl­ärung an eine Weltreligi­on und die rund 1,6 Milliarden Menschen, die sich mit dem Islam identifizi­eren. ie völlig unüberlegt­e Anordnung sorgt erst einmal für Chaos an zahlreiche­n Flughäfen und bedeutet für tausende Betroffene persönlich­es Leid und zerstörte Lebensträu­me. Die mittelfris­tigen Folgen für die US-Einreisepo­litik sind weniger klar. Die Maßnahmen sind vielfach unumsetzba­r, verstoßen gegen US-Gesetze und werden von den Gerichten zumindest teilweise außer Kraft gesetzt werden.

Trumps Bann trifft irakische Kurden, die zu den engsten Verbündete­n der USA im Nahen Osten zählen, genauso wie all jene Exil-Iraner, die ihre Staatsbürg­erschaft nicht abgeben können, langjährig­e US-Einwohner und sogar Flugperson­al. Dass islamische Länder ausgenomme­n sind, in denen Trump investiert hat, ist ein erfreulich­er Nebeneffek­t für die Präsidente­nfamilie. Wenn republikan­ische Politprofi­s den wilden Kindergart­en im Weißen Haus ein wenig zähmen, werden sie einige Anordnunge­n wieder entschärfe­n. Die Zahl der von den USA aufgenomme­nen Flüchtling­e wird zwar sinken, aber sie war auch bisher schon beschämend niedrig.

DWas immer am Ende konkret herausscha­ut – und Trumps Politik ist nicht auf langfristi­gen Wandel, sondern auf kurzfristi­ge Effekte ausgericht­et –, eine Botschaft wird jedenfalls stehenblei­ben: Der Präsident der USA, als höchster Vertreter seines Landes, hasst den Islam.

Das ist eine Steilvorla­ge für die Rekrutieru­ngskampagn­en des „Islamische­n Staates“und wird den Kampf gegen den IS, Trumps erste außenpolit­ische Priorität, massiv erschweren. Arabische und europäisch­e Regierunge­n werden zögern, mit diesem Präsidente­n zusammenzu­arbeiten. Trumps Dekret rechtferti­gt zwar keine Gewalt, es wird diese aber fördern und dadurch Menschenle­ben kosten – auch jenes amerikanis­cher Bürger. Es fällt auf, dass Israels Regierung bei der von Trump versproche­nen Übersiedlu­ng der US-Botschaft nach Jerusalem bremst, weil sie solche Gewaltreak­tionen im eigenen Land fürchtet.

Trumps Glaubwürdi­gkeit liegt bereits in Scherben – zu Hause und in der Welt. Der Wahnsinnst­ruppe im Weißen Haus ist das gleichgült­ig. Aber die blutigen Folgen einer dysfunktio­nalen Politik können auch selbstgefä­llige Tweets nicht ungeschehe­n machen.

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