EU- Gipfel vereinbart zehn Punkte gegen Afrika-Flüchtlinge
Aufnahmezentren und Unterstützung für libysche Küstenwache geplant
Valletta – Die (noch) 28 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich am Freitag bei ihrem Gipfel in Malta auf eine gemeinsame Strategie im Umgang mit der Flüchtlingskrise im zentralen Mittelmeer geeinigt. Der verabschiedete Zehn-PunkteKatalog sieht vor allem Maßnahmen zur Unterstützung des Transitlands Libyen vor.
Vereinbart wurde etwa der Aufbau vorübergehender Aufnahmelager in Libyen. Die Erklärung sagt auch verstärkte Hilfe bei Ausbildung und Ausrüstung der libyschen Küstenwache zu, um wirksamer gegen Schlepper vorzugehen. Zudem sollen Informationskampagnen über die Gefahren der illegalen Migration aufklären.
Vor dem Gipfel traf Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mit der britischen Premierministerin Theresa May zusammen. Dabei ging es vor allem um den Brexit, der auch den österreichischen EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 beschäftigen dürfte. (red)
Die Europäische Union möchte die Zusammenarbeit mit Libyen zur Bewältigung der Migrationsund Flüchtlingskrise auf eine neue Basis stellen. Sie setzt dabei zunächst auf die Regierung der nationalen Einheit unter Ministerpräsident Fayez al-Sarraj, die auch von der Uno anerkannt wird, selbst wenn ihre Machtbasis in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land sehr schwach ist. Sie kämpft gegen eine selbsternannte islamistische „Gegenregierung“.
Zunächst sollen zusätzliche Finanzhilfen dazu führen, dass die Küsten, von denen die Schlepperboote ablegen, von der libyschen Küstenwache schärfer kontrolliert werden, um Überfahrten nach Italien einzudämmen oder die Menschen wieder nach Libyen zurückzubringen, bevor sie internationale Gewässer erreicht haben.
Die EU-Kommission stellt dafür 200 Millionen Euro aus dem Afrikafonds bereit. Den Auftakt zur verstärkten Kooperation, die zum Ziel hat, nach der Balkanroute auch die zentrale Mittelmeerroute für illegale Migranten zu schließen, bildet ein Zehn-Punkte-Programm. Ein solches haben die 28 Staats- und Regierungschefs der Union beim EU-Gipfel in Valletta beschlossen. In der Nacht auf Freitag hatte die italienische Regierung bereits ein bi- laterales Abkommen mit Libyen unterzeichnet, mit ähnlichen Zielen. Libyen ist das wichtigste Transitland für Afrikaner, die nach Europa übersetzen wollen.
Im vergangenen Jahr wurden etwa 180.000 Menschen im Rahmen der EU/Nato-Operation Sophia aus dem Meer geborgen. 4500 Migranten sind bei der versuchten Überfahrt ertrunken. Dieser von der Nato gestützte gemeinsame EU-Marineeinsatz läuft seit fast zwei Jahren. Er hatte als Erstes das Ziel, Menschenleben zu retten. Mit den in Valletta beschlossenen Maßnahmen wollen die Regierungschefs nun aber darauf reagieren, dass die Operation Sophia einen Anziehungseffekt („Pull“) mit sich gebracht hat, wie Diplomaten erklärten.
Da sie darauf bauen können, dass die Menschen auf Flüchtlingsbooten auf dem offenen Meer von EU- und Nato-Schiffen geborgen und nach Europa gebracht werden, vermitteln Schlepper Überfahrten zu immer noch riskanteren Bedingungen. Der ZehnPunkte-Plan sieht vor, dass die libysche Küstenwache besser ausgebildet und ausgerüstet wird; das Geschäftsmodell der Schlepper weiter zerstört wird; libysche Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen, unterstützt werden; mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Auf- nahmeeinrichtungen aufgebaut werden sollen; freiwillige Rückkehr in die Heimatländer gefördert wird. Zudem werden Infokampagnen über die Gefahren der illegalen Flucht und mehr Kooperation mit den Libyen-Nachbarstaaten Tunesien und Ägypten gefördert. Maßnahmen für direkte Rückführungen aus EU-Staaten, die rechtlich bedenklich sind, sehen die Pläne nicht vor.
Trump als Gipfelgespenst
Offiziell kein Thema, aber in den Gesprächen der Regierungschefs den ganzen Tag über doch präsent war die Frage, wie die Union sich unter dem neuen Präsidenten Donald Trump gegenüber den USA positionieren soll. Übereinstimmend wurden dessen erste Aktionen als „irritierend“eingeschätzt. Frankreichs Präsident François Hollande warnte, dass einzelne EU-Staaten ausscheren könnten, um den USA bilateral zu gefallen. Man dürfe sich militärisch auch nicht allein auf die USA verlassen.
Ratspräsident Donald Tusk hatte von der „gefährlichsten Herausforderung“seit Jahrzehnten gesprochen. Kommissionschef JeanClaude Juncker appellierte zur Geschlossenheit, räumte aber ein, dass „einige Länder ausbüxen wollen“, ohne Ungarn beim Namen zu nennen. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gab als Losung aus, dass man in „pragmatischen Gesprächen“mit Washington Klärungen suchen müsse. „Unser Ansatz ist Kooperation und Partnerschaft“, betonte sie. „Wir glauben nicht an Mauern.“
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel warnte vor übertriebener Hysterie: „Europa hat sein Schicksal selbst in der Hand.“Erst müssten die EU-Staaten mit sich selber klarkommen, erst dann könne man transatlantische Beziehungen pflegen.