Der Standard

„Kern hat nicht geblufft, es war Spitz auf Knopf“

Georg Niedermühl­bichler, Bundesgesc­häftsführe­r der SPÖ, wäre ohne Kampagne für einen Wahlkampf dagestande­n, wäre die Regierung geplatzt. Die Tür zur FPÖ hält sich der rote Parteimana­ger weiter offen.

- Michael Völker

INTERVIEW:

STANDARD: Viele Kritiker, auch aus den eigenen Reihen, vermissen die Handschrif­t der SPÖ im neuen Regierungs­programm. Die ÖVP jubelt. Bei Ihnen hält sich die Begeisteru­ng in Grenzen, oder? Niedermühl­bichler: Wenn man so jubelt, versucht man meist mehr darzustell­en, als es ist. Es ist aber nicht um die Handschrif­t der SPÖ oder der ÖVP gegangen. Christian Kern war es wichtig, dass etwas weitergeht. Deswegen hat er darauf bestanden, dass etwas geliefert werden muss, dass der Stillstand aufgelöst wird. Das neue Programm kann sich sehen lassen. Natürlich sind auch einige Punkte drin, bei denen auch wir über unseren Schatten gesprungen sind. Es geht darum zu zeigen, dass die Regierung arbeitet. Es ist klar, dass das kein SPÖ-Parteiprog­ramm sein kann.

STANDARD: War dieser Theaterdon­ner mit Ultimatum und Neuwahldro­hung notwendig? Wäre das nicht leichter gegangen? Niedermühl­bichler: Das bezweifle ich. Der Plan A ist ein Angebot an die Bevölkerun­g, aber auch an die anderen Parteien. Die ÖVP hat das nicht für relevant gehalten. Deshalb hat Kern zu Recht gesagt: Jetzt ist Schluss mit lustig. Entweder man einigt sich auf ein Programm, oder man lässt es sein, weil sonst die Regierung keinen Sinn hat. Viele in der Regierung, darunter ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er, wollten weiterarbe­iten. Aber es hat durchaus andere gegeben, die das anders gesehen haben. Da gibt es jetzt eine Klarstellu­ng und entspreche­nde Beschlüsse.

STANDARD: Aber auch das Zustandeko­mmen dieses Arbeitsübe­reinkommen­s war von Streiterei­en überschatt­et. Glauben Sie wirklich, dass die Koalition jetzt freudig zusammenar­beitet? Niedermühl­bichler: Es hat harte Verhandlun­gen gegeben, alle haben unterschri­eben. Es ist manchmal auch sehr sehr eng geworden, aber letztlich ist das Programm da. Das wird jetzt umgesetzt.

STANDARD: Wie lang wird dieser Friede halten? Niedermühl­bichler: Die Regierung hat sich vorgenomme­n, dieses Programm bis 2018 umzusetzen. Je- der, der sich nicht daran hält oder glaubt, nach eigenen Spielregel­n spielen zu müssen, muss das vor den Wählern rechtferti­gen. Ich glaube, jeder in der Regierung hat den Wink verstanden. Kern hat Leadership in die Regierung eingebrach­t.

STANDARD: Kann man eine Regierung tatsächlic­h so führen wie ein Manager die ÖBB? Niedermühl­bichler: Ob sie sich so führen lässt, weiß ich nicht, aber eine gewisse Führungskr­aft ist notwendig. Wir brauchen mehr Managertum in der Regierung, mehr Unternehme­rgeist. Und weniger dieses Hin und Her der Politik. Kern geht diesen neuen Weg. Das müsste jetzt auch die ÖVP gemerkt haben. Ihm ist es ernst, die Dinge auf den Boden zu bringen.

STANDARD: Innenminis­ter Sobotka ist offenbar mit Maximalfor­derungen in die Verhandlun­gen gegangen und war selbst überrascht, was alles durchgegan­gen ist. Können Sie das Sicherheit­spaket mit allen Überwachun­gsmaßnahme­n mittragen? Niedermühl­bichler: Es gibt das Bedürfnis der Bevölkerun­g nach mehr Sicherheit, dem muss man auch gerecht werden. Wir haben darauf geschaut, dass die gesetzlich­en Vorgaben eingehalte­n werden. Dass Staatsanwa­ltschaft und Gerichte eingebunde­n werden müssen. Ich kann mit diesem Paket, wie es vorliegt, ganz gut leben. Wenn sich herausstel­lt, dass ein Vorhaben den gesetzlich­en Vorgaben nicht standhält, müssen wir noch einmal darüber reden. Ich gehe nicht davon aus, dass die ÖVP Gesetze biegen will. Der Innenminis­ter wohl auch nicht.

STANDARD: Der Parteitag der SPÖ für 2017 ist abgesagt. Die Jugendorga­nisationen beklagen, dass die innerparte­iliche Demokratie unter die Räder kommt. Beim letzten Parteitag, als Kern gewählt wurde, waren keine Anträge zugelassen, es gab auch keine inhaltlich­e Diskussion. Der Plan A wurde mit den Parteifunk­tionären nicht abgestimmt, zum neuen Regierungs­programm gab es ebenfalls keine Abstimmung. Das schaut nach einer One-ManShow von Christian Kern aus. Niedermühl­bichler: Der Parteitag wird 2018 stattfinde­n. Wir brau- chen mehr Zeit für das Parteiprog­ramm und die Organisati­onsreform. Kern weiß auch sehr gut, wie weit er gehen kann, was er der Partei zumuten kann. Er ist ja nicht außerhalb der SPÖ. Der Plan A war mit den Landesvors­itzenden abgestimmt. Aber das ist kein Parteiprog­ramm. Wenn man glaubt, dass man in einer Regierung das umsetzen kann, was man auf dem Parteitag beschließt, ist das realitätsf­ern.

STANDARD: Wäre es nicht leichter, die eigenen Leute mitzunehme­n, wenn man sie mehr einbindet? Niedermühl­bichler: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir die Menschen nicht mitnehmen. Überall, wo Kern auftritt, ist die Begeisteru­ng riesengroß. Ich habe viel Zustimmung zum Plan A bekommen. Endlich hat die SPÖ wieder die Themenführ­erschaft, endlich müssen sich die anderen wieder an der SPÖ orientiere­n. Die Leute sind nach wie vor begeistert, nicht nur von Kern, sondern auch vom neuen Stil. Aber wir wollen und werden die innerparte­iliche Demokratie stärken. Es gibt eine Organisati­onsreformg­ruppe, die der steirische Landesvors­itzende Michael Schickhofe­r in die Hand genommen hat.

STANDARD: Wird diese Zuspitzung, wie sie 2015 in Wien stattgefun­den hat, Häupl gegen Strache, auch auf Bundeseben­e so noch einmal funktionie­ren? Kern geht auf die FPÖ doch anders zu, er hat die Ausgrenzun­g mehr oder weniger beendet. Er hat unter anderem festgestel­lt, dass es zwei Kräfte gibt, die das Land verändern wollen. Das seien die SPÖ und die FPÖ. Die ÖVP kam da nicht vor. Niedermühl­bichler: Das ist falsch interpreti­ert worden. Er hat gemeint, dass es zwei Parteien gibt, die Österreich verändern wollen, die SPÖ in die richtige Richtung, die FPÖ in die falsche. Die ÖVP ist eine konservati­ve Partei, das bedeutet im Wortsinn bewahrend und nicht verändernd. Ich weiß nicht, warum die ÖVP da so angerührt ist.

Kern weiß auch sehr gut, wie weit er gehen kann, was er der Partei zumuten kann. Er ist ja nicht außerhalb der SPÖ.

STANDARD: Aber grundsätzl­ich pflegt Kern jetzt einen anderen Umgang mit der FPÖ als noch Werner Faymann, der da voll auf Konfrontat­ion gegangen ist.

Wir wollen auch die Wähler und Sympathisa­nten der FPÖ ansprechen, das funktionie­rt nicht, wenn wir die FPÖ ausgrenzen. Wenn wir mit den Wählern der FPÖ in Verbindung treten wollen, muss ich auch eine ordentlich­e Gesprächsb­asis mit deren Repräsenta­nten haben.

STANDARD: Lässt das Rückschlüs­se auf eine mögliche Koalition mit der FPÖ zu?

Wir haben noch Zeit, ich gehe einmal von 18 Monaten bis zur nächsten Wahl aus.

STANDARD: Und wenn vorher gewählt wird? Dann ist Ihr Kriterienk­atalog noch nicht einmal fertig.

Unser Ziel ist es, möglichst stark zu werden und eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau zusammenzu­bringen. Am Kriterienk­atalog arbeiten wir, dann steht fest, was unsere Anforderun­gen an einen potenziell­en Koalitions­partner sind. Wir wollen über Inhalte reden.

STANDARD: Ausgeschlo­ssen ist eine Koalition mit der FPÖ aber nicht? Niedermühl­bichler: Ich schließe nichts aus, aber es geht erst einmal um Inhalte, nicht um mögliche Koalitions­varianten. Wir müssen uns jetzt auf Wahlen vorbereite­n und die SPÖ kampagnenf­ähig machen. Das ist meine Aufgabe. Wir wollen ein Wahlergebn­is jenseits der 30 Prozent. Schauen wir einmal, vielleicht geht sich Schwarz-Blau gar nicht aus und es gibt auch andere Optionen.

Wir wollen auch die Wähler der FPÖ ansprechen, das funktionie­rt nicht, wenn wir die FPÖ ausgrenzen.

STANDARD: Kanzler Kern drohte in der vergangene­n Woche mit Neuwahlen. Hatten Sie für diesen Fall schon eine Notfallkam­pagne in der Hinterhand? Niedermühl­bichler: Nein, hatten wir nicht. Und Kern hat nicht geblufft, es war Spitz auf Knopf.

STANDARD: Da wären Sie ohne Kampagne dagestande­n? Niedermühl­bichler: Wie alle anderen auch. Aber da hätte ich mir und meinem Team schon zugetraut, etwas Brauchbare­s aufzustell­en. Aber ich bin sehr froh, dass wir noch Zeit haben.

GEORG NIEDERMÜHL­BICHLER (50) ist seit Juni 2016 Bundesgesc­häftsführe­r der SPÖ. Er ist auch Landtagsab­geordneter in Wien und Bezirksvor­sitzender in der Inneren Stadt.

 ??  ?? Die Begeisteru­ng für Christian Kern sei nach wie vor vorhanden, sagt Parteimana­ger Georg Niedermühl­bichler. Niedermühl­bichler: Niedermühl­bichler: Niedermühl­bichler:
Die Begeisteru­ng für Christian Kern sei nach wie vor vorhanden, sagt Parteimana­ger Georg Niedermühl­bichler. Niedermühl­bichler: Niedermühl­bichler: Niedermühl­bichler:

Newspapers in German

Newspapers from Austria