Von Stahl, Gras und entspannten Genies
„Schöner scheitern“in Wijk aan Zee: Kleine Erinnerung an ein großes Turnier. Von ruf & ehn
Manche Besucher, schon etwas älter, nicken einander komplizenhaft zu und erproben seit Jahren seltsame, alte Freundschaften auf Distanz. Sie kennen sich gut, begegnen einander aber jeweils nur ein Mal im Jahr im Jänner, und zwar wenn das Turnier im holländischen Badeort Wijk aan Zee beginnt. Man spricht miteinander, kennt den Namen des anderen nicht, manchmal fehlt einer. Heuer sahen sie den Amerikaner Wesley So mit sicherem Vorsprung vor Magnus Carlsen gewinnen. Der Weltmeister konnte nach einer Schwächephase im zweiten Drittel nicht mehr auf den Führenden aufschließen. Im Challenger-Turnier lag am Ende der Engländer Gawain Jones voran, Österreichs Hoffnung Markus Ragger belegte punktegleich mit Jones Rang zwei und verfehlte die Qualifikation für das Masters nur um Haaresbreite.
Wie stets gab es zur Begrüßung Erbsensuppe. Sie wird seit 1938, der Premiere des Traditionsturniers, verabreicht. Nur einmal, 1945, musste das Turnier ausfallen. Das unscheinbare „Kennemer Nieuwjaarstoernooi“wurde zunächst in Beverwijk gespielt, ab 1968 übersiedelte es nach Wijk aan Zee und gewann als „Hochofenturnier“Jahr für Jahr an Stärke. Anand trug sich fünfmal in die Siegerliste ein, Kortschnoi und Euwe gewannen jeweils viermal, Kasparow und Nunn jeweils dreimal. Das Turnier erzählt ein Stück Industriegeschichte. Über Jahre wurde es vom holländischen Stahlbetrieb Hoogovens mit Sitz in IJmuiden gesponsert. Als Hoogovens in die Krise schlitterte, tausende Arbeiter entlassen und schließlich beide Hochöfen schließen musste, geriet auch das Turnier in eine schwere Krise. Heute fungiert der indische Stahlkonzern Tata Steel aus Mumbai als Sponsor.
Auch kulturell ist das Turnier ein Seismograf von Entwicklungen. Zur Folklore gehörte über viele Jahre der Auftritt des Amsterdamer Schachvereins „de Grasmat“, woran sich John van der Wiel gerne erinnert. Das holländische Grasmat ist ein Wort mit ziemlich flexibler Semantik: Es bedeutet einerseits Fußballfeld, „mat“ist aber auch ein bekannter Schlusspunkt in Schachpartien und „Gras“verweist auf Marihuana. Jahr für Jahr bauten die Grasmatler am Dorfrand eine mongolische Jurte auf, in der sie während des Turniers übernachteten. Gäste wurden traditionell gastfreundlich behandelt. Es wurde Didgeridoo gespielt und sehr viel geraucht. Wem das zu amsterdamerisch entspannt war, konnte stets in die Bar des Hotel Sonnevanck wechseln, wo es Runde für Runde, begleitet von anderen Drogen, ebenfalls lange ging. Ob in der Jurte oder in der Bar: Es war ein Gehirnzellenmassaker, der Leistung am Schachbrett, das doch die Welt bedeutete, am nächsten Morgen nicht sonderlich zuträglich. Aber Leistung war noch nicht ein solches Zauberwort wie heute, und Schach war wie Musik ein Notausstieg aus dem allseits herrschenden „Realitätsprinzip“, wie das damals hieß.
1973 trafen in der zweiten Runde zwei Heißsporne aufeinander: Der „jugoslawische Zauberer“, Albin Planinc (1944–2008), Spezialist für unorthodoxe Eröffnungen, und Jan Hein Donner (1927–1988). Donner war über viele Jahre nach Max Euwe zweitbester Spieler Hollands und ist heute zu Unrecht fast vergessen: ein großer Autor, ein kreativer unbändiger Geist, der ein Leben lang zu jedem Zeitpunkt zum Streiten aufgelegt war, und – nicht zuletzt – ein großer Spieler. 1963 gewann er das Hochofenturnier, zehn Jahre danach lief es nicht mehr so rund. Die Antikarriere hatte längst begonnen. Auf niemanden trifft der Buchtitel Schöner scheitern! besser zu als auf den genialitragischen Donner. Sehen Sie selbst.
Benoni-Verteidigung – Dynamik vom ersten Zug an.
ver.
Donner – Planinc Wijk aan Zee 1973
Ein typisches Manö- Planinc gibt den gefährdeten Bauern für aktives Spiel. Falls 11.e3, so 11… Lb7 mit Gegenspiel.
Der Tango beginnt. Auch Donner steckt nicht zurück. Mehr als riskant. Dieser Zug bringt Weiß in Verlegenheit. Denn nach 16.Sxc8 Txb5 17.De2 c4 hat Schwarz großen Vorteil.
Ein genialer Zug. Um den Preis eines Turms wird der weiße König in der Mitte festgehalten. Nach 16... Sxc6!? 17.dxc6 La6 18.Dd5 würde Weiß noch leben. Das muss er mir erst einmal beweisen, denkt Weiß.
Wird die Geister, die er rief, nicht mehr los.
Droht Dc3+ und auch Te2+.
Es drohte Lxg3 und weder 20.Tf1 Te2+ noch 20.f3 Te2+ 21.Kd1 Txg2 konnten helfen.
Die Katastrophe nähert sich jetzt rasch auf den weißen Feldern. Weiß müsste schon die Dame mit 21.Dxa6 Sxa6 22.0–0 geben, um den König endlich in Sicherheit zu bringen.
Gebundene Hände – es droht unwiderlegbar 23… Txe4+ nebst Txa4, daher 0–1
1...
Sb32. Le4 1... beliebig S/ Da72. Sc3!1. 2588: Dg13. Sxc5
Lc5!!1. Vorwoche):( 2587 Lösungen: