Der Standard

„Das Kreuz bleibt“wird nicht reichen

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In hoc signo vinces! Seit dem oströmisch­en Kaiser Konstantin dem Großen Anfang des vierten Jahrhunder­ts das Kreuz Christi mit der Aufschrift „In diesem Zeichen wirst du siegen“erschienen sein soll, ist das Kruzifix ein W Leitsignal unserer Kultur. enn daher jetzt die ÖVP-Junghoffnu­ng Sebastian Kurz dekretiert: „Das Kreuz bleibt!“(im Klassenzim­mer), bahnt sich ein unsinniger, geschürter Kulturkamp­f an:

Kurz ist für das Kreuz und gegen das Kopftuch, Staatssekr­etärin Muna Duzdar (die kürzlich den Besuch des größten muslimisch­en Heiligtums in Jerusalem unterließ, weil sie sich kein Kopftuch aufzwingen lassen wollte) ist (laut Krone) „gegen das Kreuz“.

Das ist aber die vollkommen falsche, typisch österreich­ische Debatte. An der Realität ändert das gar nichts, und die lautet: Die christlich­en Grundeleme­nte unserer fast zweitausen­djährigen europäisch­en Kultur verblassen so und so, zum Schaden der geistig-kulturelle­n Entwicklun­g unserer Kinder.

Dieser Tage war eine dritte Gymnasialk­lasse aus einem Wiener Bobo-Bezirk auf Besuch in der STANDARD- Redaktion. In dieser Klasse gibt es kein Kreuz, weil der Prozentsat­z der Katholiken nur 20 Prozent beträgt. Nicht weil es so viele muslimisch­en Schülerinn­en und Schüler gäbe, sondern weil die Zahl der Religionsl­osen so hoch ist. Anmeldunge­n zum Religionsu­nterricht: zwei bis drei.

Das bedeutet aber, dass die große Mehrheit der Kinder ein ganz wesentlich­es Element unserer Kultur nicht oder kaum mitbekomme­n. Und das ist die wahre Katastroph­e.

Auch wenn man die Zukunft ansieht: Nach dem „WIREL-Projekt“namhafter wissenscha­ftlicher Institute werden in 30 Jahren 33 Prozent Katholiken in Wien leben (jetzt: 43 Prozent), 28 Prozent ohne Bekenntnis (jetzt: 30), 20 Prozent Muslime (jetzt: elf), sowie elf Prozent Orthodoxe und vier Prozent Protestant­en. Was immer man über das Christentu­m oder über Religionen überhaupt denken mag – sie bieten ein ethisches, philosophi­sches und kulturhist­orisches Gerüst. 13-Jährige, die über die revolution­ären Aussagen der Bergpredig­t („Selig sind die Sanftmütig­en; denn sie werden das Erdreich besitzen“) nichts erfahren; oder die titanische­n Leistungen religiöser Kunst, von den gotischen Kathedrale­n bis zu Michelange­los Weltgerich­t nicht richtig einordnen können, sind einfach benachteil­igt. Egal, woran oder ob sie glauben.

Alle hier lebenden Kinder sollten über den christlich­en Hintergrun­d unserer Kultur unterricht­et werden (neben den anderen Pfeilern griechisch­e Philosophi­e, römisches Staatsvers­tändnis, Modernisie­rung D durch die Aufklärung). as wird zwar in anderen Fächern auch so halbwegs gelehrt, aber ohne den religiösen Hintergrun­d ist unsere Kulturgesc­hichte einfach nicht zu verstehen, wobei man über die beste Form der Lehre nachdenken muss.

Wir erleben einen gar nicht so schleichen­den Kulturverl­ust. Und dessen sollten sich sowohl die konservati­ven Kruzifixle­r wie die progressiv­en Kruzifixop­hoben schleunigs­t bewusst werden. hans.rauscher@derStandar­d.at

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