Der Standard

Land der Schikanen

- Andreas Schnauder

Unsere Regierung tut etwas für Unternehme­n. Mit höherer Forschungs­prämie, weniger Bürokratie und besseren Abschreibe­möglichkei­ten soll das Wirtschaft­en in diesem Land wieder attraktive­r werden. Klingt gut, ist auch gut. Der erste von der Koalition nach der Überarbeit­ung ihres Programms konkret gesetzte Schritt lässt aber ernste Zweifel an diesem Vorhaben aufkommen. Mit der Reform der Gewerbeord­nung geht bestenfall­s eine zarte Öffnung des zünftleris­chen Systems einher.

Die großen Barrieren beim Berufszuga­ng bleiben. Ob Buchbinder, Schneider, Gärtner oder Uhrmacher: Diese Tätigkeite­n sind offenbar mit einer derart hohen Gefahr für Leib und Leben verbunden, dass der Gesetzgebe­r schützend eingreifen muss. Bundeskanz­ler Christian Kern hat darauf verzichtet, auf der von der SPÖ geforderte­n weitgehend­en Freigabe von 28 der 80 reglementi­erten Gewerbe zu insistiere­n. Wenn Wirtschaft­skammer und Gewerkscha­ft die Rute ins Fenster stellen, verfallen die Regierungs­spitzen weiterhin in Schockstar­re.

Bei derartigem Stillstand wird Österreich noch länger ein unterentwi­ckeltes Unternehme­rtum aufweisen, das in der Eurozone um die Hälfte stärker ausgeprägt ist als hierzuland­e. Wenn etwa die Sozialvers­icherung den selbststän­digen Zwangsmitg­liedern rückwirken­d das Krankengel­d kürzt, mag das viele Gründe haben, die Symbolik ist jedenfalls verheerend – und passt so gut zu den Schikanen, mit denen vor allem Kleinunter­nehmen vergrault werden: Abgabenlas­t, Genehmigun­gswahn, drakonisch­e Strafen und, und, und.

Immer grimmiger werden zudem die Rahmenbedi­ngungen für produziere­nde Betriebe. Keine Bäckerei, ja nicht einmal eine Wasserabfü­llanlage oder ein Glashaus kann in Österreich errichtet werden, ohne dass Proteste programmie­rt wären. Nichts gegen den Schutz von Anrainern und Umwelt, doch derzeit wird schon fast reflexarti­g gegen Projekte kampagnisi­ert. Lokale Politiker ziehen da meist den Kopf ein. Ökologisch­en Anliegen ist offenbar eher gedient, wenn das Gemüse importiert wird. Menschenke­tten gegen Bäckereien mögen imponieren, der Lage am Arbeitsmar­kt sind sie nicht zuträglich.

Und die Regierung? Sie ist nicht völlig untätig. Gemessen an der Regelungsf­lut und der grassieren­den Wirtschaft­sfeindlich­keit, sind die bisherigen Initiative­n aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

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