Der Standard

„Das Private gibt es nicht!“

Vor 20 Jahren erschien das erste Buch der US-Autorin Chris Kraus. „I Love Dick“ist mittlerwei­le zum Kultbuch, zum Klassiker und zur Vorlage einer Amazon-Serie geworden. Endlich erscheint es bei Matthes & Seitz auf Deutsch. INTERVIEW:

- Mia Eidlhuber

Liebe Chris Kraus“, schreibe ich im Dezember 2016 in eine Mail für die Interviewa­nfrage, „ich hätte Ihr Buch schon vor 20 Jahren lesen sollen.“Aber dem war leider nicht so. Vor zwei, drei Jahren hat mich einmal eine Bekannte gefragt, ob ich I Love Dick kenne, das müsse ich unbedingt lesen. Ich habe den amüsanten Titel samt dem guten Ratschlag wieder vergessen, bis ich Ende vergangene­n Jahres eine englische Ausgabe in einer Wiener Kunstbuchh­andlung fand, auf die folgender Satz abgedruckt war, der über dieses Buch im britischen Guardian geschriebe­n wurde: „Das ist das wichtigste Buch über Männer und Frauen, das in den letzten hundert Jahren geschriebe­n wurde.“

Ich kaufte es. „Danke für dieses Buch“, schreibe ich an Chris Kraus, als ich es schon fast zu Ende gelesen hatte, „für diesen ,crashcours­e in female everything‘. Warum habe ich nicht schon früher über die Künstlerin Judy Chicago und ihre Arbeit The Dinner Party gewusst, über Hannah Wilke oder Kathy Acker ...“

Die US-Autorin Chris Kraus hat in den vergangene­n 20 Jahren öfters solche Mails bekommen. „Ein Buch, das Hoffnung macht“, „das high macht“oder „einen immerzu wachsenden Einfluss ausübt“, steht in Rezensione­n geschriebe­n. Und tatsächlic­h, I Love Dick, das 1997 erschienen ist, ist ein radikales Buch, eine geniale Mischung aus Autobiogra­fie, Essaysamml­ung und Roman: Die Amerikaner­in Chris Kraus schreibt über die erfolglose und von ihrem Ehemann finanziell abhängige USFilmemac­herin Chris Kraus, die sich in Dick, einen Universitä­tskollegen ihres Mannes Sylvere Lotringer, verknallt und deshalb beginnt, ihm Briefe zu schreiben.

Was zunächst nach einem unkonventi­onellen Weg eines intellektu­ellen Ehepaars ausschaut, endlich wieder Sex zu haben, wird zu einem Roadtrip in Sachen Selbstfind­ung und Selbstermä­chtigung einer knapp 40-jährigen Frau. Nicht umsonst ist I Love Dick heute ein Kultbuch und ein Klassiker geworden, „Danke“, schreibe ich an Chris Kraus, „dass es endlich auf Deutsch erscheint!“ Standard: Warum erscheint Ihr Buch erst so spät auf Deutsch? Kraus: Ich hätte mir gewünscht, es wäre früher auf Deutsch erschienen. Mein Übersetzer und Freund Kevin Vennemann hat es jedenfalls versucht, seit wir uns kennen. Das sind jetzt auch schon zehn Jahre. Ich freue mich wirklich, dass es endlich geklappt hat.

Standard: Als Ihr erstes Buch „I Love Dick“vor 20 Jahren bei Semiotexte erschien, war das zunächst keine große Sache. Können Sie uns ein bisschen über die Geschichte dieses Buchs erzählen? Kraus: Ich habe etwa zwei Jahre nicht realisiert, dass ich da überhaupt ein Buch schreibe. Zumindest nicht, bis ich mich Anfang 1997 hingesetzt habe, um am Buchmanusk­ript zu arbeiten. Ich hatte keinerlei Bedenken. Ich wollte einfach das beste Buch schreiben, das mir möglich war.

Standard: Hat Dick Sie geklagt? Kraus: Dick hat eine Unterlassu­ngserkläru­ng von einem Anwalt schicken lassen. Aber in den USA ist das sehr gängig. Nur jemand, der sehr naiv ist, würde sich dadurch einschücht­ern lassen. Trotzdem habe einen Anwalt das Manuskript checken lassen, aber Dicks Nachname stand nie im Buch, und ich habe Fakten zu seinem Aussehen, zu seiner Nationalit­ät, zu seinen Büchern etc. verändert. Der Anwalt gab grünes Licht, und wir veröffentl­ichten es und haben nie wieder von Dick gehört.

Standard: Sie haben nie wieder mit ihm gesprochen? Kraus: Weder ich noch Sylvere. Aber das war nicht unsere Entscheidu­ng.

Standard: Haben Sie damit gerechnet, dass dieses Buch noch einmal zu einer solchen Erfolgsges­chichte wird? Kraus: Nein, überhaupt nicht.

Standard: Man kann schon behaupten, dass Sie Ihrer Zeit voraus waren. Haben Sie mit „I Love Dick“ein neues Genre begründet. Kraus: Ich glaube nicht. Ich war ja damals sehr beeinfluss­t von Autoren wie Eileen Myles, Kathy Acker, Alice Notley, Chester Himes, Ted Berrigan, Alexander Trocchi, William S. Burroughs, Bernadette Mayer oder Amiri Baraka. Und diese (Post-)New-YorkSchool-Schreiber waren wiederum beeinfluss­t von den französisc­hen Schriftste­llern des frühen 20. Jahrhunder­ts.

Dick hat eine Unterlassu­ngserkläru­ng von einem Anwalt schicken lassen. Aber in den USA ist das sehr gängig. Nur jemand, der sehr naiv ist, würde sich dadurch einschücht­ern lassen.

Standard: Sie haben in Interviews schon gesagt, dass alles so stattgefun­den hat, wie es im Buch steht. Haben Sie die Sylvere-Teile auch geschriebe­n? Kraus: Nein, die schrieb Sylvere selbst, ich habe sie höchstens editiert. Erst neulich hat er wieder gescherzt, dass ihm eigentlich eine Co-Autorensch­aft zustehe. Damit liegt er nicht ganz falsch.

Standard: Wer „I Love Dick“gelesen hat, ist neugierig, ob Sie und Sylvere ein Paar geblieben sind. Kraus: Sylvere und ich blieben viele Jahre nach I Love Dick diese außergewöh­nliche Partnersch­aft. Obwohl wir an unterschie­dlichen Küsten lebten, blieben wir füreinande­r die wichtigste Bindung. Erst später fanden wir mit anderen Partnern in etwas konvention­ellere Beziehunge­n. Aber wir sind noch immer eng befreundet und intellektu­elle Kooperateu­re. Und zusammen mit Hedi El Kholti machen wir den Semiotexte­Verlag, wo auch I Love Dick zum ersten Mal erschien.

Standard: Hat das Buch Ihr Leben verändert? Ihnen finanziell­e Unabhängig­keit gebracht? Kraus: Vergangene Woche hatte ich ein Modeshooti­ng für ein britisches Magazin – mit einem Fotografen, einem Stylisten und einem ganzen Haufen Designerkl­amotten. Aber, so wie meine Freundin, die Künstlerin Annette Weisser, schon gesagt hat: Das wäre mit 35 Jahren ein Traum gewesen. Jetzt ist das alles nicht mehr so toll. Ich will jetzt keine Illusionen zerstören, aber sogar ein relativ großer Erfolg in der Literaturw­elt ist noch immer wenig lukrativ. Meine stabile Verdienstq­uelle sind Immobilien. Mir gehören 44 Substandar­dWohnungen in Alberquerq­ue, New Mexiko. Kurz vor diesem Interview hatte ich noch mit undichten Dächern und Betriebsko­sten zu tun …

Standard: „I Love Dick“ist ein Roadtrip in Sachen Selbstfind­ung. Ihre Ehe war an einem kritischen Punkt, ein Film, an dem Sie jahrelang gearbeitet hatten, scheiterte, und Dick, in den Sie sich verknallt hatten, liebte Sie nicht ein bisschen zurück. Bringen einem Scheitern und Zurückweis­ung im Leben weiter? Kraus: I Love Dick wird oft so verstanden. Und ich denke, dass diese Lesart des Buches auch dabei geholfen hat, dass es mehr Mainstream wird. Bereits als das Buch erschienen ist, habe ich mich manchmal nicht nur als Autorin, sondern auch als Motivation­scoach gefühlt. Nach Lesungen werde ich oft zu Fragen des Lebens befragt. Viele Leute sahen und sehen in dem Buch eine Erlaubnis, zu scheitern, ehrlich und menschlich zu sein, dazu, es einfach einmal nicht auf die Reihe zu bringen.

Standard: Eifersucht ist in dem Buch kein großes Thema, obwohl es im Kern ja um eine außereheli­che Affäre geht. Kraus: Sylvere und ich standen da über den Dingen. Wir haben uns beide der Idee verschrieb­en, die davon ausgeht, dass eine Affäre eine Ehe nur stärker macht. Dass es verrückt wäre, im Leben alles von einem einzigen Menschen zu verlangen.

Standard: Abseits der Briefe an Dick hat das Buch auch wunderbare essayistis­che, erzähleris­che Teile. Wann haben Sie die geschriebe­n? Wann kam diese Vogelpersp­ektive in das Buch? Kraus: Die Essays und Geschichte­n abseits der Briefe habe ich geschriebe­n, nachdem ich Sylvere und New York verlassen hatte, zunächst in Upstate New York und später auch in L.A. Die Daten der Einträge im Buch sind alle korrekt. Den einzigen Zeitpunkt, den ich nicht verrate, ist, wann ich an der Kompositio­n des Buches zu arbeiten begonnen habe. Es hat eine ganze Weile gebraucht, bis ich kapiert habe, dass ich überhaupt ein Buch schreibe. Als es dann so weit war, habe ich mir ein Semester ein kleines Häuschen in der Wüste gemietet, um es fertigzube­kommen.

Standard: „I Love Dick“hat mittlerwei­le den Status erreicht, eines der wichtigste­n feministis­chen Bücher zu sein. Was hat sich für Sie zwischen 1997 und heute 2017 verändert? Ist es für Frauen besser geworden? Kraus: Ich finde, viele Dinge haben sich zum Besseren verändert. Im Kunstbetri­eb waren die Arbeiten der Riot Grrrls in den 90er-Jahren immens wichtig oder auch die vielen unabhängig­en Frauen-Blogs, die mit einem 24/7-Online-Leben aufkamen, vor allem in den Jahren 2003 bis 2006. Die Frage, dass Frauen die Privatheit von Männern auf eigene Kosten geschützt haben, indem sie über ihr Leben geschwiege­n haben, stellt sich heute nicht mehr so. Zynisch gesprochen: Das Private gibt es nicht. Aber es haben eine Menge Frauen hart daran gearbeitet, diese Mauern niederzure­ißen. Heute unterstütz­en sich Frauen in ihrer Arbeit auch mehr. Wenn jemand attackiert wird, halten Frauen zusammen. Früher war es in den Medien auch gängig, prominente Frauen in sogenannte­n Catfights gegeneinan­der aufzuhetze­n. Das will heute niemand mehr lesen oder kaufen.

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In „I Love Dick“wird auch Ihre finanziell­e Abhängigke­it von Ihrem Mann thematisie­rt. Als junge Frau gab Ihnen die USKünstler­in Louise Bourgeois den Rat zu heiraten, da Sie ansonsten verhungern würden. Sollen Frauen finanziell unabhängig sein? Kraus: Ich glaube, das ist eine Frage, die sich mehr für Künstlerin­nen oder Schriftste­llerinnen stellt. Louise sprach darüber, wie man sich selbst als Künstlerin erhält? Für sie war das durch Heirat. Was für Frauen dabei wichtig ist, ist, diesbezügl­ich offen und transparen­t zu sein und vor allem die Scham loszuwerde­n. Sehr wenige Menschen können von ihrer Kunst leben. Wenn Menschen kein Erbe oder gut verdienend­e Eheleute haben, dann sind sie in der Regel vom Unterricht­en abhängig. Das bleibt weiter eine wichtige Frage.

Standard: „I Love Dick“eben, wie gesagt, ein Buch darüber, eben nicht das Richtige zu tun. An einer Stelle fragen Sie sich: Warum müssen Frauen immer so perfekt rüber- kommen? Wann haben Sie sich entschiede­n, nicht mehr profession­ell, sondern einfach ehrlich zu sein? Kraus: Gerade habe ich mit der Herausgebe­rin des deutschen Magazins Sleek darüber gesprochen. Obwohl Frauen demografis­ch vielfach eine Mehrheit darstellen, werden wir immer noch wie eine Minderheit behandelt. Und Minderheit­en mussten sich immer vorbildlic­h verhalten. Auf sein Recht zu pochen, ehrlich in der Schilderun­g seiner eigenen Erfahrunge­n zu sein, ist etwas Literarisc­hes. Jeder im Fernsehen führt ein perfektes Leben, aber Literatur existiert, weil es ein Platz ist, die Wahrheit zu suchen.

Standard: Sie haben dieses Buch geschriebe­n, als Sie 40 Jahre alt waren. Ein Zufall? Kraus: Ich bin immer eifersücht­ig, wenn Leute in ihren Zwanzigern unglaublic­h gute Bücher schreiben. Andere brauchen eben mehr Zeit, um sich über Dinge klar zu werden. Willa Cather brachte eine Essaysamml­ung heraus, Not Over Fourty („Nicht über vierzig“), in der sie behauptet, dass niemand unter vierzig ein substanzie­ller Künstler sein kann. Ich bin nicht ganz so polemisch, aber kann dieser Idee schon etwas abgewinnen.

Standard: Gängigerwe­ise haben männliche Künstler weibliche Musen. War Dick Ihre Muse? Haben Sie ihn missbrauch­t? Manchmal schreiben Sie: „Armer Dick ...“Kraus: Das war natürlich witzig gemeint. Er war keine Muse, sondern eher ein leeres Blatt Papier, auf dem ich schreiben konnte. Dick war an einem Punkt in seinem Leben, an dem er selbst verwirrt war, also hat er sich entschloss­en, niemals zu irgendetwa­s Nein zu sagen ... das war wahrschein­lich in seinem Fall ein Fehler. Wenn er Nein gesagt hätte, hätte ich nicht weitergema­cht.

Standard: Was wäre passiert, wenn Dick sich in Sie verliebt hätte? Dann hätte es wahrschein­lich dieses Buch nie gegeben. Kraus: Das ist absolut richtig.

Standard: „I Love Dick“ist der erste Teil einer Trilogie („Aliens & Anorexia“, 2000; „Torpor“2006). Im Jahr 2012 erschien von Ihnen „Summer of Hate“. Gerade arbeiten Sie an einer Kathy-Acker-Biografie. Sind Sie Schriftste­llerin? Noch immer Filmemache­rin? Verlegerin? Oder doch Immobilien­managerin? Kraus: Ich bin Schriftste­llerin. Im September erscheint mein AckerBuch. Ich habe noch zwei weitere Bücher über Kunstkriti­k veröffentl­icht, und ein drittes erscheint 2018. Ich unterricht­e viel, und damit identifizi­ere ich mich auch. Mit den Immobilien weniger. Das ist bloß ein Job, der Geld bringt.

Standard: Folgen weitere Übersetzun­gen ins Deutsche? Kraus: Torpor wurde bereits von der exzellente­n Stephanie Wurster ins Deutsche übersetzt, es kam vor einigen Jahren in Berlin bei bbooks heraus. Der Verlag in Großbritan­nien bringt auch eine neue Version von Torpor heraus. Aliens & Anorexia wurde bislang nur ins Italienisc­he übersetzt. Aber wer weiß? Standard: „I Love Dick“ist jetzt eines der Bücher, die ich Menschen schenke, die ich mag. Was sind Bücher, die Sie gerne verschenke­n? Kraus: Mary Mc Carthys The Company She Keeps für Menschen in ihren Zwanzigern, Birds of America für die 40- und 50-Jährigen, Simone Weils The Iliad, or the Poem of Force, das Mc Carthy ins Englische übersetzte. Lauren Berlants Cruel Optimism oder Veronica Gonzales Peñas The Sad Passions.

Standard: Ihre liebste deutschspr­achige Schriftste­llerin, Ihr liebster deutschspr­achiger Schriftste­ller? Kraus: Christa Wolf, Walter Benjamin, wenn ich zwei nennen darf.

Standard: Sie wurden in der Bronx geboren und sind in Neuseeland aufgewachs­en. Mit welchen weiblichen Vorbildern sind Sie aufgewachs­en? Kraus: Mit nicht vielen. Ich erinnere mich noch gut, da war ich schon in meinen Zwanzigern, als mich die Kunstkriti­kerin Dore Ashton beim Autostoppe­n in den Hamptons mitnahm. Sie saß in einem schäbigen Auto und hatte ihre Haare zu einem Pferdeschw­anz zusammenge­bunden. Und plötzlich überkam mich dieses Glücksgefü­hl, dass in etwa so ein unabhängig­es ausschauen könnte. Frauenlebe­n

Standard: Sie beschreibe­n in „I Love Dick“auch viele und manchmal weniger glückliche weibliche Biografien. Schreiben über Feminismus, Frauen in politische­n Prozessen oder über den Körper oder Schizophre­nie. Sie schreiben auch, dass Sie selbst nie an einer Universitä­t studiert haben. Wer oder was hat für Ihre Bildung gesorgt? Kraus: Im Buch schreibe ich, dass ich nie an einer guten Schule war, aber das ist übertriebe­n. Ich habe meinen Bachelor an der Victoria University, Neuseeland, gemacht, das war eine solide Uni, wenn auch nicht Harvard oder Yale. Ich ging auf keine Graduate School, aber das tat damals niemand. Die Idee war, seinen Bachelor zu bekommen, dann in eine große Stadt zu gehen, um dort mit Künstlern herumzuhän­gen.

Standard: Vor kurzem ging die Angelobung von Präsident Donald Trump über die Bühne. Wie geht es Ihnen damit? Kraus: Ich fühle mich schrecklic­h. Ich wollte auch am Frauen- und Menschenre­chtsmarsch in Downtown L.A. mitgehen, aber ich lag mit Grippe im Bett. Das Ganze ist für uns alle eine Katastroph­e. Ich konnte schon früher nie verstehen, wenn jemand sagte, das ist „mein Präsident“, er oder eventuell auch sie sind nur Politiker, ein bisschen wie Cyborgs. Aber Trump macht Angst, er ist destruktiv und hat eine protofasch­istische Behörde installier­t. Den einzigen Weg, den ich im Moment sehe, ist, dass die einzelnen US-Staaten mehr in Richtung Autonomie gehen, quasi eine Balkanisie­rung der USA anstreben, was vermutlich schon länger ansteht. Standard: Sind Sie glücklich, heute schon älter zu sein? Sind Sie gerne 60? Kraus: Es ist wohl besser als die Alternativ­e, oder? Der Vorteil am Älterwerde­n ist wirklich, dass es fast vorbei ist und es deswegen keinen Sinn mehr macht, darüber zu fantasiere­n, wie es sein sollte oder sein könnte, weil das Leben so IST oder so WAR. Ich kann mich heute besser darauf konzentrie­ren, was ich tatsächlic­h mache.

Standard: Die bekannte Drehbuchsc­hreiberin Jill Soloway („Transparen­t“) hat „I Love Dick“für eine Amazon-Serie adaptiert. Ist das nach 20 Jahren ein Triumph? Kraus: Kein Triumph, aber ein großes Vergnügen. Jill ist eine großartige Regisseuri­n mit einer unglaublic­hen psychologi­schen Intelligen­z. Und was könnte schöner sein, als von der Schauspiel­erin Kathryn Hahn gespielt zu werden? Ich war Konsulenti­n, aber nie Teil des Soloway-Teams.

Standard: Der deutsche Autor Maxim Biller hat in einem Standard- Interview gesagt, dass die Serie „Transparen­t“darüber erzählt, wie es heute ist, jüdisch zu sein. Handelt „I Love Dick“auch vom Jüdischsei­n? Kraus: Das könnte schon sein.

Standard: zon-Serie. Kraus: Die erste Staffel kommt jetzt im Mai heraus. Wann startet die Ama-

Standard: Warum leben Sie heute in Kalifornie­n und nicht mehr in New York? Kraus: Es ist günstiger, offener und weniger depressiv als beispielsw­eise in Upstate New York, auf einem Boden, der aus vielen Ablagerung­en von Enttäuschu­ngen zu bestehen scheint. In Kalifornie­n ist das alles unkomplizi­erter.

Standard: Schade, dass wir uns über das Ende des Buchs nicht unterhalte­n können, ohne zu viel zu verraten ... Kraus: Das ist es.

Chris Kraus (61) ist eine US-amerikanis­che Schriftste­llerin. Von ihr erschienen zahlreiche Bücher. Sie lebt in Los Angeles. Chris Kraus, Mia Eidlhuber, geb. 1971 in OÖ, ist seit 2004 beim

Seit 2016 leitet sie die LiteraturB­eilage ALBUM. ALBUM Mag. Mia Eidlhuber (Redaktions­leitung) E-Mail: album@derStandar­d.at

Nach Lesungen werde ich oft befragt. Viele Leute sahen und sehen in dem Buch eine Erlaubnis, zu scheitern, ehrlich zu sein, dazu, es einfach einmal nicht auf die Reihe zu bringen.

Obwohl Frauen demografis­ch vielfach eine Mehrheit darstellen, werden wir immer noch wie eine Minderheit behandelt. Und Minderheit­en mussten sich immer vorbildlic­h verhalten.

 ??  ?? Chris Kraus (61): „Und plötzlich überkam mich dieses Glücksgefü­hl, dass in etwa so ein unabhängig­es Frauenlebe­n ausschauen könnte.“
Chris Kraus (61): „Und plötzlich überkam mich dieses Glücksgefü­hl, dass in etwa so ein unabhängig­es Frauenlebe­n ausschauen könnte.“
 ??  ?? Kraus: „Was könnte schöner sein, als von der Schauspiel­erin Kathryn Hahn gespielt zu werden?“– Szenen aus der Hollywood-Version des feministis­chen Klassikers „I Love Dick“.
Kraus: „Was könnte schöner sein, als von der Schauspiel­erin Kathryn Hahn gespielt zu werden?“– Szenen aus der Hollywood-Version des feministis­chen Klassikers „I Love Dick“.
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 ??  ?? „I Love Dick“. € 22,– / 296 Seiten. Übersetzun­g: Kevin Vennemann, Matthes & Seitz, Berlin 2017
„I Love Dick“. € 22,– / 296 Seiten. Übersetzun­g: Kevin Vennemann, Matthes & Seitz, Berlin 2017
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