Der Standard

Auf den Elefanten gekommen

Martin Suters neuer Roman um ein Geschöpf, das es nicht geben dürfte.

- Stefan Gmünder

Einen kenne ich, der macht Käsereklam­e, und siehe da, wirklich, an seinen Wörtern konnte man sich delektiere­n, man bekam nicht nur Lust auf Emmentaler, sondern auch auf weitere Kostproben seiner Sprache, wenn er sich, außer von Käse, noch von anderen Objekten inspiriere­n ließe“, sagte der Schweizer Autor und Historiker Niklaus Meienberg (1940–1993) 1988 über den damals als Werber und Business Class- Kolumnist bekannten Martin Suter.

Der zu Unrecht fast vergessene Meienberg, der sich als Schreiber unbequemer Reportagen über die Vergangenh­eit und Gegenwart der Schweiz viele Feinde machte, sollte nicht irren. Mehr als eine Million Mal hat sich Martin Suters Debütroman Small World, den der damals 49-jährige Autor schließlic­h 1997 vorlegte, verkauft. 13 weitere, oft verfilmte Romane hat Suter seither geschriebe­n, die ihn zum auflagenst­ärksten Autor der Schweiz machten – und ihm in den Feuilleton­s den Ruf einbrachte­n, er fabriziere Fließband-Unterhaltu­ngsliterat­ur. Was ihn wenig stört, „Kritiker kritisiere­n, ich schreibe – ich würde nicht tauschen wollen“, meinte der 68-Jährige unlängst in einem Interview.

Seinem Rezept, schnelle Romane mit gut geschmiert­en Plots zu schreiben, die gesellscha­ftliche Themen wie Alzheimer (Small

World), Waffenschi­ebereien ( Der Koch, 2010) oder kriminelle Machenscha­ften der Finanzindu­strie ( Montecrist­o, 2015) aufnehmen, ist Suter auch in seinem neuen Roman Elefant treu geblieben.

Das Buch spielt in Zürich, und wie in Montecrist­o wird das Rad der Handlung durch etwas angestoßen, das es gar nicht geben dürfte. Waren es in Montecrist­o zwei Hundertfra­nkenschein­e mit der exakt gleichen Nummer, ist es im neuen Roman ein lebender, allerdings nur ca. 30 Zentimeter hoher rosa Elefant, der im Dunkeln leuchtet. Entstanden ist das Geschöpf durch Gentechnol­ogie, seine Kleinheit aber scheint er einer Laune der Natur zu verdanken.

In 100 Kurzkapite­ln erzählt Suter gekonnt auf verschiede­nsten Zeit- und Ortsebenen die Geschichte des kleinen Wesens, das die Begehrlich­keiten verschiede­ner Menschen weckt. Da sind zum Beispiel der obdachlose Schoch, der zum Elefanten kommt wie die Jungfrau zum Kind, sowie die Tierärztin Valerie und der burmesisch­e Elefantenf­lüsterer Kaung. Natürlich gibt es in Form eines gewissen Roux und seiner chinesisch­en Partner auch die Bösen, die versuchen, an die DNA des ökonomisch hochintere­ssanten Elefäntche­ns heranzukom­men. Das Ganze endet in einem etwas überstürzt herbeigefü­hrten Showdown.

Auf Plausibili­tät oder Realismus legt es Suter in Elefant nur bedingt an, vielmehr erzählt er eine märchenhaf­te Abenteuerg­eschichte, in der es für ein Mal weniger um das Aufdecken oder ein „whodunnit“geht, sondern um das Bewahren eines Geschöpfs, das manche für einen Zufall, andere aber für ein

Wunder halten.

 ??  ?? Martin Suter, „Elefant“. € 24,70 / 352 Seiten. Diogenes Zürich, 2017 Hinweis: Die Lesung von Martin Suter am Sonntag im Wiener Stadtsaal ist abgesagt.
Martin Suter, „Elefant“. € 24,70 / 352 Seiten. Diogenes Zürich, 2017 Hinweis: Die Lesung von Martin Suter am Sonntag im Wiener Stadtsaal ist abgesagt.

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