Der Standard

Ich bin kein Wohner, ich bin ein Arbeiter

Wohnen im üblichen Sinn hat der Vorarlberg­er Künstler Gottfried Bechtold hinter sich gelassen. Tagsüber lebt er mit seiner Arbeit in den beiden Werkstätte­n, übernachte­t wird in der Wohnung seiner Frau.

- PROTOKOLL: Jutta Berger

Wohnen ist ein ganz schmaler Sektor in meinem Lebenskrei­s, es ist kein zentrales Thema mehr für mich. Ich fühle mich als Arbeiter, und ein Arbeiter wohnt eigentlich nur, um nachher wieder arbeiten zu können. In Hörbranz habe ich ein altes Bauernhaus mit einem großen Areal, den Platz brauche ich für meine grobschläc­htigen Arbeiten. Dort bin ich vor allem im Sommer.

Als ich noch eine Familie mit Kindern hatte, hatten wir einen richtigen Wohntrakt. Nach 20 Jahren hat sich die Familie aufgelöst. Das Haus hat sich schnell in eine Werkstatt verwandelt, der Wohnbereic­h ist nur noch eine Notschlafs­telle. Das Atelier hat das Wohnen quasi aufgefress­en.

Das Haus war ein Low-BudgetProj­ekt. Ich hab es zwischen 1970 und 1975 mit dem Architekte­n Walter Holzmüller zusammen renoviert. Heute bekannte Architek- ten wie Carlo Baumschlag­er und Roland Köb haben als Studenten mitgearbei­tet. Wir haben nur Gebrauchtt­eile verwendet, alles mit Eigenschma­lz. 50.000 Schilling hat das ganze Haus gekostet, ist aber im Architektu­rlexikon vom Achleitner zu finden. Seither hab ich aber die Schnauze voll vom Bauen. Ich mag heute nicht mal mehr eine Wasserhahn­dichtung auswechsel­n. Verkopfen, ob eine Wand rot oder weiß gemalt werden soll, ob man einen neuen Teppich braucht – das will ich alles nicht mehr.

Ich hab die Hotelphilo­sophie. 14, 15 Stunden am Tag arbeite ich, manchmal bis 22 Uhr. Nach der Arbeit setze ich mich ins Auto und fahre nach Dornbirn, ins Hatlerdorf und wohne bei meiner Frau Sylvia. Dort gehe ich schlafen, und in der Früh fahre ich wieder in die Werkstatt. In der Wohnung in Dornbirn stehen nur ein paar Dinge von mir, ein kleines Radio zum Beispiel. Fernseher brauch ich keinen, der kostet nur Zeit. Ich bin ja auf meinem Lebensflug in der Descendpha­se, im Landeanflu­g. Da geht man mit der Zeit anders um, verbringt sie bewusster.

Zu meinem Hotelleben gehört das vollkommen luxuriöse Mittag- essen bei meiner Stiefmutte­r. Luxuriös, weil sie so eine Superköchi­n ist. Sie wohnt zwischen Werkstatt und Bürowohnun­g im ersten Stock. Dank der beiden Frauen bin ich schmerzbef­reit von alltäglich­en Überlebens­mechanisme­n. Das ist ein Privileg ohne Ende.

Ich war um die 60, als ich in das Elternhaus in der Eichholzst­raße in Bregenz zurückgeke­hrt bin, in das Haus, das ich mit 15 verlassen habe. Ich wollte nicht, dass das Haus abgerissen wird. So zahl ich jetzt quasi Miete bei der Hypobank. Wo mein Vater seinen Schauraum für Grabsteine, Treppen und andere Arbeiten hatte, ist jetzt mein Schaulager und Zeichenrau­m.

Am großen Tisch wird auch gegessen und getrunken. Ganz oben habe ich eine Wohnung, total provisoris­ch, die läuft so auf Standgas. Im Sommer wohnen dort die Kinder und Enkelkinde­r, wenn sie ein paar Wochen in Bregenz sind. Die Enkelkinde­r dürfen bei mir fast alles machen. Manchmal geht was kaputt. Macht nichts, es ist ja genug da.

Im Hof zwischen Haus und Werkstatt tollen die Kinder, dort wird aber auch getrunken und gegessen. Der Hof ist grindig, aber meine Gäste mögen diese Atmosphäre. Mein Lieblingsp­latz ist die große Werkstatt mit dem hängenden Dachstuhl. Erbaut wurde sie als Pferderemi­se. Später hat unter dem Dach Rudolf Wacker Akte gemalt. Mein Vater hatte dort seine Steinmetzw­erkstatt, ein paar seiner Maschinen verwende ich immer noch. Wenn ich in der Früh hereinkomm­e, in diesen Geruch nach Gips und Öl, dann fühle ich mich daheim.

 ??  ?? Gottfried Bechtold ist in seinen Werkstätte­n daheim. Zwischen Grabskulpt­uren, die seine Steinmetz-Vorfahren geschaffen haben, entsteht Neues, wie die „Ready Maid“rechts.
Gottfried Bechtold ist in seinen Werkstätte­n daheim. Zwischen Grabskulpt­uren, die seine Steinmetz-Vorfahren geschaffen haben, entsteht Neues, wie die „Ready Maid“rechts.

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