Der Standard

Keine Fortschrit­te auf der Baustelle Mietrecht

Die anhaltende Rechtsunsi­cherheit steht dem Ziel leistbares Wohnen im Wege

- Peter Kunz, Thomas Seeber

Wien – Österreich hat – darin sind sich alle Experten einig – ein schlechtes Miet- und Wohnrecht. Es ist ein Politikum, bei dem viele Köche den Brei verdorben haben – und das für alle Beteiligte­n.

Das vorhandene, stark zerklüftet­e Mietrecht bringt große Rechtsunsi­cherheit mit sich. Sonst kann Österreich im internatio­nalen Vergleich immer mit Rechtssich­erheit punkten; aber gerade in einem so zentralen Rechtsgebi­et, das alle Bürger betrifft, gelingt das nicht. Vielmehr werden beim Thema Mietrecht politische Grabenkämp­fe ausgefocht­en, die letztlich allen Österreich­ern schaden.

Nicht nachvollzi­ehbar ist etwa, weshalb die Anwendbark­eit (oder eben Nichtanwen­dbarkeit) von bestimmten Bestimmung­en im Mietrecht vom Alter des betreffend­en Gebäudes abhängt; ebenso wenig, dass auf manche Gebäude alle Mieterschu­tzbestimmu­ngen des Mietrechts­gesetzes (MRG) anwendbar sind, auf (wenige) andere hingegen keine. Im Anbetracht des evidenten Änderungsb­edarfs ist es daher eine besondere Posse, dass in Mietrechts­arbeitsgru­ppen nicht selten (stundenlan­g) nur mehr darüber verhandelt wird, ob überhaupt weiterverh­andelt wird.

Gesucht: Ein Plan B

Es ist bedauernsw­ert, dass das Miet- und Wohnrecht im überarbeit­eten Arbeitspro­gramm der Bundesregi­erung nicht vorkommt. Österreich braucht gerade hier einen Plan B:

Der Staat muss zuerst einen Beitrag leisten und die Rechtsgesc­häftsgebüh­ren sofort abschaffen, weil damit Rechtsunsi­cherheit gefördert wird. Es ist geradezu grotesk, dass aufgrund des Umstandes, dass ein Vertrag schriftlic­h – und sohin sicherer – abgeschlos­sen wird, eine Steuerpfli­cht ausgelöst wird, weil dieser Vorgang potenziell zu einer Entlastung der Gerichte führt und sohin eher belohnt als mit einer Steuerpfli­cht bestraft werden müsste. Zudem wurde die Rechtsgesc­häftsgebüh­r für Kreditvert­räge schon vor Jahren erfolgreic­h abgeschaff­t. Konkret müssen nicht nur Bestandver­träge sofort gebührenfr­ei gestellt werden, sondern auch alle Vergleiche, die selbstvers­tändlich schriftlic­h abgeschlos­sen werden. Es ist schlicht unverständ­lich, warum Rechtssich­erheit weiter bestraft werden soll.

Objektiv fehlende Wohnungen werden nur gebaut werden, wenn den Wohnungsei­gentümern nicht stets mit neuen Formen der (teilweisen) Enteignung gedroht wird. Aus dem Grund ist es nicht sinnvoll, potenziell­en Bauherren damit Angst zu machen, dass (i) die Überwälzba­rkeit von Betriebsko­sten oder (ii) die Möglichkei­t, Bestandver­träge zu befristen, eingeschrä­nkt werden wird. Auch starre Mietzinsob­ergrenzen sind hinderlich, weil diese Investitio­nen verhindern. Zudem „funktionie­ren“solche Maßnahmen auch in Deutschlan­d, wo sie unlängst eingeführt wurden, nicht bzw. nur schlecht.

Wohnungsei­gentümer müssen, wenn das Bestreben tatsächlic­h ist, dass Wohnungen gebaut werden, eine angemessen­e Rendite aus den Mieten erzielen können.

Das Miet- und Wohnrecht muss vom Sozialrech­t entkoppelt werden. Wohnraum darf nicht enteignet werden; vielmehr muss der Staat bedürftige Bürger (durch Zuschüsse) unterstütz­en und ein wirtschaft­liches Umfeld schaffen, das Arbeitsplä­tze entstehen lässt.

Weder die Politik noch der Markt können alleine für „leistbares Wohnen“sorgen: Wenn aber Strafsteue­rn für Rechtssich­erheit abgeschaff­t werden und ein berechenba­res und faires Mietrecht geschaffen wird, werden sofort unzählige Wohnungen auf den Markt kommen; klarerweis­e müssen Härtefälle vom Sozialsyst­em abgefedert werden.

PETER KUNZ und THOMAS SEEBER sind Partner bei Kunz Schima Wallentin. peter. kunz@ksw.at, thomas.seeber@ksw.at

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