„Da entsteht ein autokratisches Gefüge“
Wer Donald Trump unterschätzt, ist im Irrtum, warnt der deutsche Politologe Tobias Endler. Er appelliert an die Zivilgesellschaft, von selbst aktiv zu werden, denn Phänomene wie in den USA seien auch in Europa möglich.
STANDARD: Hat Sie Donald Trump in den ersten Wochen als Präsident überrascht?
Endler: Trump hat nicht vom Wahlkampfauf den Präsidentenmodus umgeschaltet. Es war wohl Wunschdenken, dass das Amt den Amtsträger formt. Im Gegenteil: Die Machtfülle des Amtes scheint ein Verstärker für Trumps Vorgehensweise zu sein. Er spricht nach wie vor nur seine Unterstützer an, wendet sich kaum jemals an das Land als Ganzes, wie es seine Vorgänger gehalten haben. Und wenn man realistisch ist: Es gibt auch wenig Anreiz für Trump, diese Strategie zu ändern.
STANDARD: Er spaltet ganz bewusst weiter? Endler: Natürlich. Das Einreiseverbot für Muslime ist ein selbstdeklarierter Gerechtigkeitsfeldzug, da geht es um Regierung gegen Legislative, gegen die vermeintlich verkrusteten Institutionen.
STANDARD: Ist es nicht absurd, dass sich jemand als Robin Hood gegen das System geriert, wenn er selbst davon profitiert hat?
Endler: Natürlich, aber ich bevorzuge, Trump weniger als Figur, sondern eher als Symptom einer krisenhaften Situation zu betrachten. Trump ist nicht deren Verursacher, aber er konnte nur aus ihr hervorgehen. Viele Amerikaner spüren generelle Besorgnis, eine schleichende Resignation, das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein. Trump ist eine Art Geliermittel für diese Sorgen. Er macht die Sache konkret, etwa in Form von Verachtung für die Eliten.
STANDARD: Wie sehen Sie die Person Trump? Endler: Ich glaube, dass Trump raffinierter ist, als es lange Zeit den Anschein hatte.
Die Art und Weise, wie er kommuniziert, wie er Themen besetzt: Das hat Kalkül. Gleichzeitig kann man ihn als krassen Narzissten bezeichnen. Er ist authentisch im Bemühen, die amerikanische Demokratie aus ihren Angeln zu heben. Das ist natürlich hochgefährlich, auch weil seine „Bewegung“auf das Schüren von Ängsten baut. Er weiß genau, was er da tut.
STANDARD: Was steckt hinter dem rasanten Tempo, das Trump zurzeit hinlegt?
Endler: Es geht sicher um Ablenkung. Als er gleich zu Beginn den Medien de facto den Krieg erklärt hat, hat er abgelenkt von problematischen Minister-Hearings. Gleichzeitig will er möglichst viele Pflöcke einschlagen, bevor diese Minister zu arbeiten beginnen. Man hat ja von ihnen ansatzweise schon Widerworte gehört, etwa von Verteidigungsminister James Mattis zur Nato-Positionierung der USA; oder von Außenminister Rex Tillerson, der sich weit vorsichtiger äußert als sein Chef. Trump will aber die oberste Kontrolle. Da entsteht ein autokratisches Gefüge.
STANDARD: Geht es in Richtung Diktatur? Endler: Diktatur noch nicht, aber Trumps Politik hat autokratische Züge. Dieser Mann untergräbt systematisch die Glaubwürdigkeit jener, die sich gegen ihn stellen, auch schon im Wahlkampf: „Ich kann nur dann verlieren, wenn es nicht mit rechten Dingen zugeht.“Eine ungeheure Anschuldigung! Dieser Logik folgend, untergräbt er jetzt die Autorität der Medien und der Justiz. Er testet Grenzen, darin sehe ich auch einen anarchistischen Zug. Diese von ihm verursachte Erschütterung reicht aus, um Verunsicherung zu schüren – weltweit.
STANDARD: Und dabei hilft ihm sein Einflüsterer Steve Bannon ...
Endler: Ich halte Bannon für brandgefährlich; dabei gibt es die fast verzweifelte Hoffnung, dass man Trump auch anders beeinflussen könnte, wenn man bloß Bannon aus dem Spiel kriegen würde. Ich glaube nicht daran:
Für mich ist das Zentrum der Macht Trump selbst. Man wird nicht einfach aus Zufall Präsident.
STANDARD: Was kann man also Trumps autoritärem Regierungsstil entgegensetzen?
Endler: Eine Form von wehrhafter Demokratie, die signalisiert, dass nicht alles möglich sein darf; dass es Grenzen gibt. Ich bin nicht sicher, ob das aus den Institutionen kommen kann, denn die Sogwirkung der Macht ist allzu stark zu spüren. Nein, dieser Erneuerungsimpuls muss aus der Zivilbevölkerung kommen.
STANDARD: Und wie groß müsste deren kritische Masse dann sein?
Endler: Enorm. Es müssten alle gesellschaftlichen Bereiche mittun, Trump hat bereits eine gewaltige Schneise der Verwüstung gezogen. Ich finde es sehr positiv, dass die Menschen wieder auf die Straßen gehen – vielleicht eine Reaktion darauf, dass Trump das Virtuelle in Form von Twitter so an sich gerissen hat. Generell kann die Demokratie in den USA jemanden wie Trump aushalten, ich sehe genügend Widerstandskräfte und genug Elastizität. Aber nur, wenn die Zivilgesellschaft aktiv wird, von dort muss der Impuls kommen. Episoden wie die Aufhebung des Einreisestopps sind nur Zwischensiege der Judikatur. Ich glaube nicht, dass wir einen kompletten Umbruch erleben werden, ich glaube, dass es die Chance gibt, das Bestehende zu verteidigen und gewissermaßen zu heilen – das ist es, was ich mit wehrhafter Demokratie meine. Wir müssen aufpassen, dass das Autokratische nicht übermächtig wird; müssen frühzeitig, jetzt, dagegenhalten. Es muss uns klar sein: Was in den USA passiert, das ist übertragbar – auch auf uns, auf Europa. TOBIAS ENDLER (Jg. 1978) lehrt und forscht am Heidelberg Center for American Studies zu Entwicklungen in den transatlantischen und transpazifischen Beziehungen, außerdem zum Verhältnis von Demokratie und Populismus. pLangfassung: dst.at/USA