Der Standard

Begegnunge­n

- Birgit Riezinger

Nichts gegen die Superstars, aber meistens sind es die Begegnunge­n mit den weniger oder gar nicht Prominente­n, die einem mit einem Lächeln nach Hause gehen lassen. Mit dem Mitarbeite­r im Pressezent­rum zum Beispiel, der neulich so freundlich war, meine Kolumne zu übersetzen. Grazcha fich! Aus Samedan (nahe St. Moritz) kommt er, und er spricht perfekt Rätoromani­sch, eigentlich den Dialekt Puter (Betonung auf der zweiten Silbe). „Vor 50 Jahren“, sagt er, „hätte man gedacht, dass heute niemand mehr Rätoromani­sch sprechen würde.“Man habe sich getäuscht. Viele gäben zwar mittlerwei­le Deutsch als ihre Hauptsprac­he an, sprächen aber auch Rätoromani­sch. Oder der Mitarbeite­rin oben beim Zielgeländ­e. „Oh, meine Lieblingsz­eitung“, sagt sie, als sie sieht, für wen ich arbeite. Aus Zell am See kommt sie. Und jedes Mal, wenn ich bei ihr vorbeigehe, lächelt sie freundlich. Oder dem jungen Mann an der Bushaltest­elle, der zumindest ein bisschen Ahnung hat, wann wo welcher Bus abfährt. Journalist­en gegenüber ist er misstrauis­ch eingestell­t. „Aber Sportjourn­alisten sind okay.“Oder dem Fahrer des Shuttles, der einem zum Hotel bringt, obwohl es eigentlich nicht auf der Route liegt. der der tschechisc­hen Skifahreri­n, die gleichzeit­ig Snowboarde­rin ist, die einem am Ende des Gesprächs ein „Es war sehr nett“mitgibt. Oder dem Herrn hinter der Hotelbar, der sich sofort erinnert, welchen Kräutertee ich trinke, obwohl ich ihn davor erst einmal bestellt habe. Oder dem afghanisch­en WM-Debütanten, der vollkommen nüchtern von seiner Flucht vor den Taliban und seinem zerstörten Heimatdorf erzählt. Nichts gegen die Superstars.

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