Geburtenrate bei Migrantinnen und Musliminnen sinkt
Fertilität von Österreicherinnen gestiegen Immer mehr Kinder von Konfessionslosen
Wien – Die Großfamilie der Ausländer oder eingebürgerten Österreicher ist selten geworden: Laut der jüngsten Geburtenstatistik für 2015 bekommen Frauen aus dieser Gruppe durchschnittlich nur noch 1,9 Kinder. Im Jahr 1992 waren es noch 2,3 Babys gewesen. Auch die Geburtenrate der Türkinnen, der größten muslimischen Community Österreichs, hat stark abgenommen, von knapp vier Kindern Mitte der 1980er-Jahre auf unter 2,3. Die Fertilitätsrate gebürtiger Österreicherinnen stieg hingegen vom historischen Tief von 1,24 im Jahr 2001 auf 1,39 Neugeborene. Die Kluft wurde dadurch deutlich kleiner.
Insgesamt betrug die Geburtenrate 1,49 Babys pro Frau, ein Zwanzigjahreshoch. Den größten Anstieg in absoluten Zahlen gab es bei konfessionslosen Müttern, die mittlerweile knapp ein Viertel der Neugeborenen zur Welt bringen. (red)
Im Jahr 2015 wurden in Österreich so viele Kinder geboren wie seit 1996 nicht mehr. 84.381 kleine Menschen taten in diesem Jahr ihren ersten Atemzug, und dieses Zwanzigjahreshoch sorgte auch für einen Anstieg der relativen Zahlen: Die Fertilitätsrate stieg von 1,33 Kindern pro Frau zu Beginn des Jahrhunderts auf zuletzt wieder 1,49 Kinder pro Frau. Das liegt freilich immer noch markant unter dem Wert von 2,1, den Demografen unter dem Schlagwort „Bestanderhaltungsniveau“als notwendig erachten, damit eine Gesellschaft auf lange Sicht nicht ausstirbt – falls sie denn auf Zuwanderung verzichten will.
Über 2,1 lag die Fruchtbarkeitsrate in Österreich zuletzt Anfang der 1970er-Jahre, kurz bevor der Pillenknick sie endgültig einbrechen ließ. Damals bot sich vor allem hinsichtlich der elterlichen Glaubensbekenntnisse noch ein ganz anderes gesellschaftliches Bild als heute. Über 90 Prozent der Neugeborenen waren Kinder römischkatholischer Mütter, rund sechs Prozent der Buben und Mädchen hatten evangelische Mütter, und weniger als ein Prozent der Säuglinge waren im Bauch konfessionsloser Frauen herangewachsen.
Die Zahl der Frauen und nicht der Männer ist in der Analyse deshalb aussagekräftiger, da nach der Geburt die Religionszugehörigkeit der Mutter anders als jene des Vaters immer dokumentiert wird. Gleichwohl handelt es sich laut Statistik Austria um eine freiwillige Auskunft: Mütter, die sich zu keinem Bekenntnis deklarieren wollen, werden unter „keine oder keine gesetzlich anerkannte Religionsgemein- schaft“geführt – selbst wenn es darunter Frauen gibt, die dennoch einer Konfession angehören.
Die massiven Austritte aus der Kirche sorgten im Lauf der Jahrzehnte dafür, dass heute nur mehr 49,5 Prozent der Kinder im Land von erklärt römisch-katholischen Müttern geboren werden. Allein von 2014 auf 2015 verringerte sich die Zahl der Neugeborenen mit katholischen Müttern von 45.500 um 9,2 Prozent auf 41.783. Der Anteil liegt selbst unter jenem, den die Katholiken noch an der Gesamtbevölkerung ausmachen. Zwar wird seit der Volkszählung 2001 die Glaubenszugehörigkeit der österreichischen Wohnbevölkerung nicht mehr behördlich erhoben, doch laut Bischofskonferenz sind heute noch 5,2 Millionen oder knapp 60 Prozent der in Österreich lebenden Menschen Katholiken.
Gläubige Frauen – weniger Kinder
Ähnliche Rückgänge mussten auch die anderen christlichen Konfessionen hinnehmen. Evangelische Mütter bekamen 2014 noch 2936 Kinder, 2015 sank deren Zahl auf 2595. Bei den Altkatholiken, den Zeugen Jehovas und anderen kleineren Gruppen stagnierte die Geburtenzahl, Veränderungen gab es nur im zwei- bis dreistelligen Be- reich. Frauen, die sich als zur israelitischen Kultusgemeinde zugehörig deklarierten, brachten im Jahr 2015 119 Kinder zur Welt, 2014 waren es noch 131.
Anders als häufig angenommen gibt es aber auch bei den islamischen Glaubensangehörigen keinen Geburtenboom. Bekennend muslimische Frauen mit Wohnsitz in Österreich brachten im vorvergangenen Jahr 10.760 Kinder zur Welt; das liegt selbst unter dem bereits von 2005 bis 2014 stagnierenden Schnitt von 10.810 Geburten pro Jahr. Weil, anders als bei den Christen, die Zahl potenzieller Mütter islamischen Glaubens in diesen zehn Jahren durch Zuwanderung aber stark gestiegen ist, sank der relative Wert – also die zusammengefasste Geburtenziffer muslimischer Frauen – sogar.
Tatsächlich ist die steigende Geburtenrate in Österreich fast ausschließlich der Reproduktionsneigung jener Mütter zu verdanken, die sich nicht als Mitglieder einer Religionsgemeinschaft deklarieren. 1970 brachten sie 943 Kinder zur Welt, 1995 bereits 5640 Kinder. Zwanzig Jahre später hat sich diese Zahl auf 23.813 mehr als vervierfacht. Damit waren die konfessionsfreien Mütter 2015 für mehr als ein Viertel der Neugeborenen verantwortlich. Salopp gesprochen füllen sie die Lücke, die Bekennt- nisangehörige seit Jahren öffnen (siehe obere Grafik).
Dass die Geburtenziffer zuletzt wieder leicht gestiegen ist, liegt entgegen populären Annahmen auch nicht an Ausländerinnen oder eingebürgerten Österreicherinnen. Im Gegenteil, deren Fertilitätsrate sank stetig von 2,3 Kindern pro Frau im Jahr 1992 auf 1,9 im Jahr 2015. Großfamilien mit mehr als zwei Kindern sind nunmehr auch bei Nichtösterreichern die Ausnahme.
Weniger Geburten von Türkinnen
Die sinkende Fruchtbarkeitsrate der Türkinnen und eingebürgerten Türkinnen in Österreich illustriert nicht nur den Rückgang hinsichtlich deren Nationalität und Geburtsort, sondern auch jenen nach Religionszugehörigkeit – immerhin handelt es sich bei ihnen um Angehörige der größten muslimischen Community im Land. Mitte der 1980er-Jahre lag ihre Fertilitätsrate noch bei knapp vier Kindern pro Frau, heute aber unter 2,3. Dieser Trend deckt sich mit der Entwicklung im Herkunftsland: In der Türkei fiel die Fruchtbarkeitsrate von 6,3 Kindern pro Frau im Jahr 1960 auf einen Wert von rund vier zu Beginn der 1980erJahre und auf zuletzt 2,1 – Tendenz weiter sinkend. Auch andere mehrheitlich muslimische Länder registrieren seit rund 50 Jahren massive Rückgänge.
Die gebürtigen Österreicherinnen hingegen haben die Talsohle bei der Fertilitätsrate von 1,24 Kindern pro Frau im Jahr 2001 durchschritten, seither stieg ihr Wert wieder auf 1,39 an – den höchsten seit 1993. Das glich auch den Rückgang bei Ausländerinnen und im Ausland geborenen Österreicherinnen aus (siehe untere Grafik).