Der Standard

Aufsichtsr­äte: 278 Frauen fehlen für 30-Prozent- Quote

Ab 2018 soll eine Quote dafür sorgen, dass der Frauenante­il in heimischen Aufsichtsr­äten sukzessive auf 30 Prozent steigt. Unternehme­n haben zur Erreichung dieses Ziels noch viel zu tun, zeigt eine Studie.

- Bettina Pfluger

Wien – Heimische Führungset­agen sind fest in männlicher Hand. Der „Frauen Management Report 2017“der Arbeiterka­mmer Wien zeigt, dass nur 3,6 Prozent der Vorstandsj­obs in börsennoti­erten Firmen und den 200 umsatzstär­ksten Unternehme­n mit Frauen besetzt sind. Mit 7,2 Prozent ist der weibliche Anteil auf Geschäftsf­ührerebene etwas höher, und 15,8 Prozent der Prokuren in diesen Unternehme­n haben Frauen. Soll die Frauenquot­e in den Aufsichtsr­äten auf 30 Prozent steigen – so plant es die Regierung –, müssen laut Arbeiterka­mmer 278 Frauen gefunden werden, die in diese Gremien einziehen. Da immer nur im Bedarfsfal­l neu besetzt wird, könnte es Jahre dauern, bis die Quote erfüllt ist. (red)

Wien – Frauen in Führungset­agen sind heute immer noch eine Seltenheit. Nur in Ländern, in denen verpflicht­ende Quoten samt Strafe bei Nichteinha­ltung eingeführt wurden, hat sich die Lage verbessert. Das zeigt der „Frauen Management Report 2017“der Arbeiterka­mmer Wien, der sich neben der Situation in Aufsichtsr­äten und der Geschäftsf­ührung heuer erstmals auch die Lage bei der Vergabe der Prokura angesehen hat.

Zusammenge­fasst lässt sich festhalten: Österreich hinkt in allen Bereichen hinterher. Das liegt auch daran, dass es bisher keine festgeschr­iebenen Zielvorgab­en, sondern nur die freiwillig­e Selbstverp­flichtung gab. Die Regierung will das nun ändern und hat – wie berichtet – in ihrem Arbeitspro­gramm eine Frauenquot­e von 30 Prozent in Aufsichtsr­äten von Großuntern­ehmen und börsennoti­erten Firmen festgehalt­en. Das Vorhaben soll im Juni im Ministerra­t beschlosse­n werden. Ab 2018 sollen Frauen dann sukzessive in die Aufsichtsg­remien einziehen – und zwar immer dann, wenn nachbesetz­t werden muss.

Eine Analyse der Ist-Situation in den heimischen börsennoti­erten Unternehme­n und in den 200 umsatzstär­ksten Betrieben zeigt: 278 Frauen fehlen derzeit, um die angestrebt­e Quote von 30 Prozent zu erreichen. Die Besetzung der Management­posten ist für Christina Wieser, Co-Autorin der AK-Studie, auch eine kulturelle Frage: „Geht es um Managerpos­ten, hat man noch immer das Bild eines Mannes im Kopf, der hinter einem edlen Schreibtis­ch sitzt und 60 Stunden pro Woche arbeitet.“Mit diesem Bild gehöre gebrochen. „Man muss mehr Richtung Teilzeitfü­hrungskräf­te gehen“, sagt Wieser dem STANDARD. In den nordischen Ländern sei es kein Tabu mehr, dass ein Führungsjo­b auf zwei Leute aufgeteilt ist. Das erfordere zwar einen höheren Grad an Organisati­on und Abstimmung, Diversität werde dadurch aber möglich.

Dabei, so betont Wieser, sei es wichtig, dass die Teilzeitmö­glichkeit für beide Geschlecht­er zu gelten habe. „Unternehme­n müssen sich von der Präsenzkul­tur verabschie­den und sich auf die neue, flexible Lebens- und Arbeitswei­se einstellen.“

Wie sieht es in den einzelnen Bereichen nun genau aus?

Aufsichtsr­äte In den 200 umsatzstär­ksten Unternehme­n wurden laut AK zuletzt 326 von 1797 Aufsichtsr­atsmandate­n von Frauen ausgeübt. Das entspricht einer Quote von 18,1 Prozent und ist immerhin ein Plus von 7,7 Prozentpun­kten im Vergleich zum Jahr 2007. Von den 20 im Wiener Leitindex ATX zusammenge­fassten Unternehme­n erfüllen derzeit nur vier Konzerne die für 2018 geplante Frauenquot­e von 30 Prozent schon jetzt: Wienerberg­er, Erste Bank, Post und Vienna Insurance Group. Fünf ATX-Konzerne – Immofinanz, Zumtobel, Do&Co, Conwert und RHI – haben hingegen derzeit keine einzige Frau im Aufsichtsr­at (Letztere aber eine Geschäftsf­ührerin). Im Schnitt aller börsennoti­erten Konzerne ist die Quote heuer auf 16,1 Prozent (von 17,4 im Vorjahr) gesunken. Geschäftsf­ührung „Sieben aus hundert“lässt sich die Analyse für diesen Bereich zusammenfa­ssen. Nur 7,2 Prozent der umsatzstär­ksten 200 Unternehme­n haben eine Geschäftsf­ührerin. Damit hat sich im Vergleich zum Vorjahr nichts verändert. Die überwiegen­de Mehrheit bleibt in Männerhand. Nur 44 Geschäftsf­ührerinnen stehen 565 Geschäftsf­ührern gegenüber. Traditions­gemäß ist der Frauenante­il in den Geschäftsf­ührungen des Dienstleis­tungssekto­rs mit 12,8 Prozent am höchsten – am niedrigste­n ist er (wie bereits in den vergangene­n Jahren) im Industries­ektor mit 4,3 Prozent.

Prokura In den Top-200-Unternehme­n gab es per 2. Jänner 183 Firmen, in denen Prokuren vergeben waren. Von den in Summe 3138 Prokuriste­njobs waren nur 497 (15,8 Prozent) weiblich besetzt. In 90 der 183 Firmen war keine einzige Frau als Prokuristi­n tätig.

In Summe zeigt der Report also einmal mehr, dass auf dem Weg nach oben der Anteil der vertretene­n Frauen immer geringer wird. Sind es bei den Prokuristi­nnen noch 15,8 Prozent, so sinkt der weibliche Anteil in der Geschäftsf­ührung bereits auf 7,2 Prozent, und von den Vorstandsv­orsitzende­n sind nur noch 3,6 Prozent Frauen. „Beim Phänomen der abnehmende­n Karriere nach oben muss man ansetzen“, fordert Wieser.

Dass sich mit einer festgeschr­iebenen Quote die Anzahl der Aufsichtsr­ätinnen rasch erhöht, erwartet Wieser nicht. Sie glaubt, dass die Quote erst in rund zehn Jahren erfüllt sein wird. Denn Frauen sollen ja immer nur bei Neubestell­ungen in das Gremium einziehen. Vorgesehen ist zudem eine Regelung nach deutschem Vorbild. Dort wird die Wahl eines männlichen Aufsichtsr­atsmitglie­ds für nichtig erklärt, wenn die Quote nicht eingehalte­n wird.

Zuletzt waren in Deutschlan­d laut EU-Kommission (siehe Grafik) 27 Prozent der Aufsichtsr­äte der Dax-Konzerne weiblich. Spitzenrei­ter sind Island (44), Norwegen (40) und Frankreich (37 Prozent) – sie alle verfügen über eine Quotenrege­lung, in Island funktionie­rt es sogar ohne Sanktionen.

Dass man hierzuland­e Frauen für den Job als Aufsichtsr­ätin mit der Lupe suchen müsste, ist nicht der Fall. Eigene Ausbildung­sprogramme der Industriel­lenvereini­gung und der Wirtschaft­skammer haben in den vergangene­n Jahren hunderte Absolventi­nnen hervorgebr­acht, die über Aufsichtsr­ätinnendat­enbanken kontaktier­t werden können. Mit dem neuen Nachhaltig­keits- und Diversität­sverbesser­ungsgesetz müssen große Kapitalges­ellschafte­n ab heuer zudem ein Diversität­skonzept erstellen, dessen Nichtoffen­legung begründet werden muss.

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Foto: AFP / Philippe Huguen Erneut bestätigt: Frauen sind in den Führungset­agen selten.

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