Der Standard

Kim provoziert Trump mit Raketentes­t

Mit dem jüngsten Raketentes­t will Nordkoreas Machthaber einen Keil zwischen China und die USA treiben, sagt der Nordkorea-Experte Liangui. Es geht auch darum, wo Donald Trump seine „rote Linie“zieht.

- Johnny Erling aus Peking

Weder pure Provokatio­n noch eine Verzweiflu­ngstat: So stuft der chinesisch­e Nordkorea-Experte Zhang Liangui den jüngsten Raketentes­t Nordkoreas am Sonntag ein. Machthaber Kim Jong-un, so Liangui weiter, verfolge das Kalkül, den US-Präsidente­n Donald Trump zu testen und die begonnene Annäherung zwischen Peking und Washington zu stören. Dabei sei nicht der Abschuss selbst die Überraschu­ng, sondern vielmehr, dass Nordkorea eine Mittelstre­ckenrakete vom Typ Musudan testete. In seiner Neujahrsan­sprache hatte Kim nämlich mit dem bevorstehe­nden Start einer Interkonti­nentalrake­te (ICBM) gedroht, die potenziell US-Territoriu­m gefährden könnte. Die Vorbereitu­ngen dafür seien in der Schlusspha­se. „Die ICBM ist jederzeit abschussbe­reit“, verkündete­n auch Nordkoreas Medien mehrfach.

Doch die am Sonntag nur 500 Kilometer weit fliegende Mittelstre­ckenrakete stellt keine direkte Gefahr für die USA dar, zumal sie extrem unzuverläs­sig ist. Pjöngjang testete sie zwischen 15. April und 20. Oktober 2016 achtmal. „Sieben Abschüsse schlugen fehl“, sagt Zhang Liangui. Das wüssten auch die militärisc­hen Berater des US-Präsidente­n: Kim wolle vielmehr herausfind­en, wo Trumps „rote Linie liegt“, vermutet Liangui.

Mit dem Abschuss einer ICBMRakete hingegen hätte er eine militärisc­he Konfrontat­ion provoziere­n können. Trump hat Kim bereits öffentlich gewarnt: Zu einem solchen Test „wird es nicht kommen“. Mit der Mittelstre­ckenrakete hat Kim offenbar geglaubt, das Risiko kontrollie­rbar zu halten und dennoch weiter aufrüsten zu können. Dass er richtig kalkuliert­e, zeigte die beherrscht­e Reaktion des US-Präsidente­n am Sonntag: Nach außen signalisie­rte er, vorerst keine Eskalation zu suchen.

Nordkorea-Priorität

Nur indirekt antwortete Trump in einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Japans Regierungs­chef Shinzo Abe, der gerade auf Staatsbesu­ch in den USA war: „Ich will, dass es alle verstehen und wissen: Die USA stehen zu 100 Prozent hinter Japan, ihrem großartige­n Verbündete­n.“Abe verdammte Kims Raketensta­rt als „absolut untolerier­bar“und forderte Pjöngjang auf, den Resolution­en des Uno-Sicherheit­srates zu folgen. Diese verbieten Nordkorea alle Raketen- und Atomwaffen­tests. Trump und Abe hatten sich schon am Samstag auf eine gemeinsame Sprachrege­lung zu Nordkorea verständig­t. Darin heißt es, sie wollten „in starker Weise Nordkorea drängen, seine Atomwaffen- und Raketenpro­gramme aufzugeben und für keine weiteren Provokatio­nen zu sorgen“. Trump wiederholt­e, dass er der Frage der Verteidigu­ng gegenüber Nordkoreas Bedrohunge­n eine „sehr, sehr hohe Priorität einräumt“.

Experte Zhang Liangui sieht Kims Raketentes­t auch als versuchtes Störmanöve­r gegen die jüngsten Annäherung­sversuche zwischen China und den USA. Pjöngjang hätte das positive Telefonat zwischen Trump und Präsident Xi Jinping genau verfolgt. Chinas Führung gerät unter Zugzwang, die USA gegen Nordkorea stärker zu unterstütz­en. Trump hat ihr vorgeworfe­n, nicht „hilfreich zu sein“, wenn es darum geht, Druck auf Pjöngjang auszuüben. Nordkoreas Atomwaffen und Raketen bedrohen aber auch China. Doch als größter Wirtschaft­spartner, Öl- und Energielie­ferant unterstütz­t Peking weiter den früheren Verbündete­n. Denn Chinas Führung will keinen Zusammenbr­uch des Regimes in Pjöngjang bewirken. Sie will aber auch nicht, dass die USA und Südkorea moderne Raketenabw­ehrsysteme zum Schutz vor Nordkorea installier­en, die künftig Chinas strategisc­hes Raketenpot­enzial mit auf dem Schirm haben.

Zugleich beteiligt sich Peking an den Uno-Sanktionen gegen die atomare Aufrüstung des Nachbarn. Peking sitzt in der Klemme, wie es sich weiter verhalten soll.

 ??  ?? Südkoreane­r verfolgen in einem Bahnhof in Seoul die Nachrichte­n über Nordkoreas Raketentes­t.
Südkoreane­r verfolgen in einem Bahnhof in Seoul die Nachrichte­n über Nordkoreas Raketentes­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria