Der Standard

Wettrennen um al-Bab

Türkische und syrische Truppen rücken auf IS- Stadt vor

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Al-Bab heißt „das Tor“, und wohin es führt, scheint nun eine der neuen offenen Fragen im Krieg in Syrien zu sein. Die türkische Armee und von ihr unterstütz­te Rebellengr­uppen kämpfen sich seit dem Wochenende von drei Richtungen weiter auf den Eingang der Stadt im Norden Syriens vor. Mit der Einnahme von alBab und der Vertreibun­g der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) aus einer ihrer letzten Hochburgen wäre das Ziel der türkischen Militärint­ervention in Syrien erreicht. So stellte es zumindest der türkische Regierungs­sprecher und Vizepremie­r Numan Kurtulmuş am vergangene­n Samstag dar.

Im Süden der Stadt, die vor Beginn des Kriegs 2011 noch rund 60.000 Einwohner zählte, dringen allerdings – unterstütz­t von russischen Kampfflugz­eugen – Einheiten der syrischen Regierungs­armee vor. Auch sie sind am Belagerung­sring um al-Bab beteiligt.

Der Vormarsch der Assad-Truppen hat die Türken zur Offensive bewogen. Bald sechs Monate dauert bereits Ankaras Feldzug im Norden Syriens. Nach schnellen Gebietsgew­innen in den ersten Wochen stand die türkische Armee die meiste Zeit vor der ISHochburg al-Bab. Dort muss sie empfindlic­he Verluste hinnehmen, denn die Terrormili­z leistet großen Widerstand. 66 türkische Soldaten sind bisher bei der Operation „Euphrat-Schild“getötet worden. Die Verluste muss die türkische Regierung vor der Öffentlich­keit verteidige­n. Sie tut dies mit Verweis auf die Serie von Terroransc­hlägen im Land, die vom IS gesteuert werden – zuletzt im Istanbuler Nachtclub Reina in der Neujahrsna­cht.

Zögerliche Hilfe der USA

Ein Militärexp­erte des Istanbuler Thinktanks Edam führt die türkischen Verluste auch auf die geringe Unterstütz­ung der USA und anderer Staaten der Anti-IS-Koalition zurück. Erst seit der letzten Dezemberwo­che sind US-Maschinen von der türkischen Basis Inçirlik an Einsätzen um al-Bab in der Provinz Aleppo beteiligt.

Ankara steht nun vor zwei Problemen. Das eine ist militärisc­h: Gelingt der Vorstoß in das Zentrum von al-Bab, werden die türkischen Soldaten und ihre Verbündete­n – eine turkmenisc­he Einheit und Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) – einen Häuserkamp­f führen müssen. Das zweite Problem ist diplomatis­cher Natur: Soll ein Aufeinande­rtreffen türkischer und syrischer Truppen in al-Bab verhindert werden, muss Ankara eine Vereinbaru­ng mit Assads Schutzmach­t Russland finden – eine Demarkatio­nslinie im Süden der Stadt.

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