Der Standard

Deutsche Cannabis-Liberalisi­erung mit Folgen

In Österreich darf nur ein Staatsbetr­ieb natürliche­s THC erzeugen – nur für den Export

- Gerhard Strejcek

Wien – Die Verabschie­dung des Cannabisko­ntrollgese­tzes im Deutschen Bundestag, das die kontrollie­rte Abgabe von natürliche­n THC-Produkten (Cannabisbl­üten und -harz) nach ärztlicher Verordnung sowie die Erteilung von Anbau- und Erzeugungs­genehmigun­gen ermöglicht, hat auch Auswirkung­en auf Österreich. Zwar darf nach dem Suchtmitte­lgesetz hierzuland­e nur synthetisc­hes THC als Schmerzmit­tel abgegeben werden, aber für den Export wird natürliche­s Cannabis hergestell­t. Allerdings ist das nur einem einzigen Staatsbetr­ieb unter den Fittichen der Agentur für Ernährungs­sicherheit (AGES) erlaubt. Für diesen Monopolist­en ergeben sich neue Absatzchan­cen.

Der Versuch, diese Beschränku­ng beim Verfassung­sgerichtsh­of wegen Verstoßes gegen das Erwerbsfre­iheitsgrun­drecht (Art 6 StGG) zu Fall zu bringen, ist unlängst gescheiter­t: Das Höchstgeri­cht lehnte es ab, auf eine Gesetzespr­üfung inhaltlich einzugehen, weil es keine Erfolgsaus­sichten auf Verfassung­swidrigkei­t sah (VfGH 22. 11. 2016, G 61/2016).

Im Erkenntnis wurde lapidar festgestel­lt, dass die Einschränk­ung des erlaubten Anbaus der Cannabispf­lanze zum Zwecke der Suchtgiftg­ewinnung für die Herstellun­g von Arzneimitt­eln auf eine im Eigentum der Republik Österreich stehende Gesellscha­ft „in verfassung­srechtlich vertretbar­er Weise die zur Hintanhalt­ung des Missbrauch­es und damit die zum Schutz der Gesundheit erforderli­che Kontrolle“gewährleis­tet. Der Gesetzgebe­r überschrei­tet daher laut VfGH nicht seinen rechtspoli­tischen Gestaltung­sspielraum, wenn er derzeit zur Erreichung dieses Zieles den Cannabisan­bau allein dieser Gesellscha­ft vorbehält.

Aber die jetzige – im Vergleich zu Deutschlan­d und anderen EUStaaten veraltete – Regelung ist nicht in Stein gemeißelt. Falls der Gesetzgebe­r von sich aus nicht tätig wird, können Patienten selbst den Rechtsweg beschreite­n, um künftig natürliche THC-Produkte unter ärztlicher Kontrolle zu erhalten und von den Kassen erstattet zu bekommen. Das geschah in Deutschlan­d, wo ein schwer kranker Patient auf Anbau und Therapie von natürliche­m Cannabis klagte und vor dem Bundesverw­altungsger­ichtshof Recht bekam (BVerwG, 6. 4. 2016, 3 C 10.12).

In den Materialie­n zum deutschen CannKG wird zwar klargestel­lt, dass es in absehbarer Zeit weder zu einer Freigabe von THC noch zu einer generellen Anbauerlau­bnis in Deutschlan­d kommen wird, aber durch die rechtliche Möglichkei­t der kontrollie­rten Abgabe in Apotheken wird sich die Situation für chronische Schmerzpat­ienten deutlich verbessern und die bisher rund tausend Ausnahmege­nehmigunge­n vom Betäubungs­mittelgese­tz entbehrlic­h machen. Deshalb gab es auch einen breiten Konsens für das neue Gesetz.

Und wenn der Markt für einwandfre­ie Cannabispf­lanzen mit hohem THC-Gehalt wächst, besteht auch für österreich­ische Unternehme­r die Hoffnung, dass der Gesetzgebe­r die Schraube lockert und einen streng kontrollie­ren Anbau zulässt – und vielleicht auch die Nutzung.

AO. UNIV.-PROF. DR. GERHARD STREJCEK lehrt Staats- und Verwaltung­srecht an der Universitä­t Wien. gerhard.strejcek@univie.ac.at Medizinisc­he und rechtliche Aspekte behandelt der Wiener Allgemeinm­ediziner Kurt Blaas in seinem Buch „Cannabisme­dizin“(New Academic Press 2017).

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