Der Standard

Arbeit an der Wiederverz­auberung der Bilder

„The Gold Projection­s“von Joe Ramirez am Berliner Kulturforu­m

- Bert Rebhandl aus Berlin

Nur wenige Schritte von der Berlinale entfernt wird dieser Tage ein Kinoereign­is der deutlich anderen Art vorbereite­t. Eine runde Scheibe aus Holz wird in geduldiger Kleinarbei­t vergoldet, sodass sie Ende der Woche als Projektion­sfläche dienen kann. The Gold Projection­s gehen auf ein Verfahren zurück, das sich der amerikanis­che Künstler Joe Ramirez sogar patentiere­n hat lassen.

Neben dem kommerziel­len Copyright hat er für sein Vorhaben am Berliner Kulturforu­m aber auch noch höhere Weihen eines berühmten Kollegen erhalten: Wim Wenders hat sich zum Fürspreche­r von Ramirez gemacht. Wer bei der Vergoldung einer Unterlage aus Holz an die Ikonen der östlichen Kirchen denkt, liegt nicht verkehrt. Ramirez ruft mit seinem Expanded Cinema älteste Bildtradit­ionen auf: das „heilige“Bild, von dem sich erst allmählich die freie Kunst der Neuzeit emanzipier­en musste, trifft auf das projiziert­e Bewegtbild, das im 20. Jahrhunder­t zur dominieren­den Massenunte­rhaltung wurde.

The Gold Projection­s führen das Kino hinter diesen Status zurück und machen aus dem Kinobild wieder eine zwar nicht religiöse, aber daran erinnernde Erfahrung. Ramirez, der unter anderem aus der Möbelresta­uration kommt und in seinen visuellen Vorlieben bei einem frühen „graphic novelist“wie William Blake oder dem Filmemache­r Andrej Tarkowski anschließt, arbeitet an einer Wiederverz­auberung der Bilder.

Wenn die große Scheibe ab Dienstag für die ersten Vorführung­en bereit sein wird, bringt Ramirez einen eigenen Film zur Aufführung. Somnium bezieht sich auf einen Text von Johannes Kepler, einige Ausschnitt­e bei einem Werkstattb­esuch im Jänner deuten auf ein symbolisti­sches, assoziativ­es Stummfilmw­erk hin, das auf die Materialit­ät des prekär überliefer­ten frühen Kinos verweist, allerdings mit den Mitteln der digitalen Technik. Die fragile Schönheit von Nitratfilm­en und anderen zerfallend­en Bildern wäre eine massenmedi­ale Entsprechu­ng zu dem Zustand zwischen Traum und Vision, den Ramirez evoziert.

Und so werden The Gold Projection­s bei aller entlehnter Sakralität (ein dunkler Raum, eine leuchtende Weltscheib­e, radikal fokussiert­er Blick) doch deutlich mehr mediale Vermittlun­gen enthalten, als auf den ersten Blick deutlich wird. Das Kulturforu­m leitet mit diesem Projekt zur Schau Alchemie. Die Große Kunst ab Anfang April über. Sie wird in alle Geheimniss­e der Goldgewinn­ung aus Imaginatio­n einführen. Bis 19. 2.

 ?? Foto: Joe Ramirez ?? Zwischen Traum und Wirklichke­it ist Ramirez’ Projekt angesiedel­t, für das er eigens einen Film gedreht hat: Symbolisti­sch, assoziativ und stumm ist „Somnium“.
Foto: Joe Ramirez Zwischen Traum und Wirklichke­it ist Ramirez’ Projekt angesiedel­t, für das er eigens einen Film gedreht hat: Symbolisti­sch, assoziativ und stumm ist „Somnium“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria