Der Standard

Alijew-Tod: Ein Rätsel bleibt

Der Weisungsra­t war mit der jüngsten Entscheidu­ng der Staatsanwa­ltschaft, ihre Mordermitt­lungen in der Causa Alijew nicht mehr aufzunehme­n, nicht befasst. Das Rätsel, warum Alijews Brustbein brach, bleibt ungelüftet.

- Renate Graber

Wien – In der Causa rund um den Tod von Rachat Alijew, einst kasachisch­er Botschafte­r in Österreich, ist nun das Straflande­sgericht Wien am Zug. Selbiges entscheide­t über den Fortführun­gsantrag der Anwälte von Alijews Witwe; sie wollen die Fortsetzun­g des Verfahrens der Staatsanwa­ltschaft (StA) Wien wegen Mordverdac­hts erreichen. Sie beziehen sich auf das von ihnen beauftragt­e Gutachten des Rechtsmedi­ziners Bernd Brinkmann, das von einer Ermordung Alijews ausgeht. Die StA bleibt bei ihrer Ansicht gemäß Einstellun­gsbeschlus­s, Alijew habe in seiner Zelle Suizid begangen. Das hat sie zu Wochenanfa­ng bestätigt, auf Basis des Ergänzungs­gutachtens der St. Galler Rechtsmedi­ziner. Die blieben dabei: Alijew habe sich umgebracht.

„Bruch entstand postmortal“

Eine Frage wurde im Ergänzungs­gutachten nicht noch einmal beleuchtet, das Rätsel um den von den Schweizern an der Leiche festgestel­lten Brustbeinb­ruch. Sie gehen davon aus, dass der Bruch „postmortal“entstand. Laut Sektionsbe­richt der Wiener war das Brustbein aber „intakt“– der STANDARD hat berichtet. Aufgrund dessen fragte die StA diesen Punkt in St. Gallen nach. Die Erklärung der Rechtsmedi­ziner: „In der Lokalität des Bruches war keine Blutung erkennbar, anhand de- rer eine Entstehung zu Lebzeiten abgeleitet werden könnte.“Derartige Brüche könnten „grundsätzl­ich“bei „unvorsicht­ig“durchgefüh­rten Autopsien entstehen, etwa bei der Brustkorbö­ffnung.

Allerdings hätten die Wiener, die Alijew am Todestag obduziert hatten, auch nach der Brustkorbö­ffnung „keine traumatisc­h bedingten Veränderun­gen am knöchernen Skelett“gefunden. Folge man dem, „müsste der Bruch nach der Befunderhe­bung in Wien entstanden sein“, so die St. Galler. Dieses Rätsel bleibt also – die Sache ist in den Augen der Schwei- zer Ärzte aber „unerheblic­h“, weil für die Beurteilun­g der Todesursac­he „ohne Bedeutung“. Die Justiz sieht es auch so.

Der Weisungsra­t im Justizmini­sterium war in die Entscheidu­ng der StA, die Ermittlung­en nicht wieder aufzunehme­n, übrigens nicht involviert. Denn: Der Auftrag des Ergänzungs­gutachtens durch die StA erfolgte nicht im Rahmen eines Verfahrens, sondern diente laut Christian Pilnacek, Sektionsch­ef der Abteilung Strafrecht, nur „den Erhebungen zur Klärung der Voraussetz­ung für eine amtswegige Fortführun­g“.

Der Weisungsra­t habe den ursprüngli­chen Einstellun­gsbeschlus­s der StA abgesegnet, und dazu gebe es nun ja keine Änderung. Zur Erinnerung: Der Weisungsra­t wird auch tätig, wenn der Justizmini­ster befangen ist. Der aktuelle, Wolfgang Brandstett­er (ÖVP), hatte in seiner Anwaltszei­t Alijew beraten und ihn 2007, als Kasachstan die Auslieferu­ng verlangte, an seinem eigenen Wohnsitz in Niederöste­rreich gemeldet.

Die Kommission, die Brandstett­er nach Alijews Tod eingesetzt hat, wird sich mit den jüngsten Entwicklun­gen noch befassen.

 ??  ?? Der Zellentrak­t mit jener Zelle in der Justizanst­alt Josefstadt links hinten, in der Rachat Alijew am 24. Februar 2015 tot aufgefunde­n wurde. Die Staatsanwa­ltschaft führt keine weiteren Ermittlung­en durch.
Der Zellentrak­t mit jener Zelle in der Justizanst­alt Josefstadt links hinten, in der Rachat Alijew am 24. Februar 2015 tot aufgefunde­n wurde. Die Staatsanwa­ltschaft führt keine weiteren Ermittlung­en durch.

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